Dienstag, 27. Dezember 2011

Warum die Ricardianische Äquivalenz nicht aufgeht (wonkish)

Es gab eine Menge erschreckend schlechte Leistungen seitens Makroökonomen in dieser Krise. „Die erstaunlichste ist die Art und Weise, wie die Süsswasser Ökonomen (freshwater economists) an den Tag legen, dass sie nicht einmal eine ihrer eigenen Doktrine verstehen: Ricardo-Äquivalenz“ (siehe auch hier und hier), bemerkt Paul Krugman in seinem Blog.

Die Ricardo-Äquivalenz (siehe hier) besagt, dass das, was den Verbrauch bestimmt, der lebenslängliche Barwert des Einkommens nach Steuern ist und daher z.B. eine vorübergehende Steuersenkung die Ausgaben nicht ankurbeln kann, weil die Menschen denken würden, dass, was sie auch nun gewinnen, später durch höhere Steuern ausgeglichen werden würde.

„Es ist eine fragwürdige Lehre, auch wenn sie richtig angewendet wird, weil viele Menschen in Sachen Liquidität eingeschränkt sind und nur sehr wenige Menschen das Wissen oder die Neigung haben, die Auswirkungen der öffentlichen Haushalte auf die lebenslängliche Steuerpflichten einzuschätzen“, erklärt Krugman.

Aber auch wenn Sie annehmen, dass die Lehre richtig ist, bedeutet es nicht, dass die Staatsausgaben z.B. im Hinblick auf die Infrastruktur durch den Ausgleich des Rückgangs der privaten Ausgaben erfüllt werden würden. M.a.W. hat Robert Lucas laut Krugman ein völliges Missverständnis für seine eigene Lehre preisgegeben, indem er sagte,

„Wenn der Staat eine Brücke baut und die Fed Geld druckt, um die Brückenbauer zu bezahlen, ist es nur eine Geldpolitik. Wir brauchen die Brücke nicht, um dies zu tun. Wir können die gleiche Menge an Geld drucken und damit etwas anderes kaufen, sodass der einzige Teil des Konjunkturpakets, der stimulierend wirkt, ist der monetäre Teil.


Aber wenn wir die Brücke bauen, indem wir Steuergelder von jemandem anderen nehmen und es verwenden, um die Brückenbauer (die Jungs, die auf der Brücke arbeiten) zu bezahlen, dann ist es nur ein Waschen. Es hat keinen Anlasser-Effekt. Es gibt keinen Grund, eine Stimulierung zu erwarten. Und in gewissem Sinne gibt es nichts, was einen Multiplikator in Schwung bringt. (lacht) Sie verwenden einen Multiplikator, der sich auf die Brückenbauer bezieht, dann müssen Sie den gleichen Multiplikator mit einem Minuszeichen auf die Menschen verwenden, die für den Bau der Brücke besteuert werden. Und dann hilft die spätere Besteuerung dieser Menschen nicht, wir wissen es“.

Krugman verweist dann auf die folgende Bemerkung, eigentlich eine Verleumdung durch Lucas, die sich gegen die Christy Romer richtet:

„Christina Romer. Es ist der erste Tag auf ihrem Job und jemand sagt ihr, sie müsse eine Lösung bieten, um das Konjunkturpaket zu verteidigen, wobei niemand ihr gesagt hat, wie es enden würde.


Sie hat etwas zusammengerührt und kam dann mit diesen Multiplikatoren auf und es sind nun eine Art davon. Ich weiss nicht. Ich glaube nicht, dass jemand wirklich daran glaubt. Diese Modelle wurden nie diskutiert oder in einer Weise debattiert, dass sie etwas aussagen. Es sind eine Art Ramsch Wirtschaftswissenschaften“.

Vielleicht gibt es einige Multiplikatore, die wir messen könnten, aber es ist nicht, was die Forschungsarbeit besagt.

Krugman hebt hervor, dass er versucht habe, zu erklären, warum Lucas und solche mit ähnlichen Ansichten völlig falsch liegen. Aber es gibt möglicherweise eine noch intuitivere Art und Weise, zu zeigen, wie falsch das Ganze ist: denken Sie darüber nach, was passiert, wenn eine Familie mit einem 30-Jahres-Hypothek ein Haus kauft. Angenommen die Familie nimmt einen Kredit in Höhe von 100‘000$ (PS: es ist schwer, ein solch billiges Haus zu finden. Aber es geht hier um eine runde Zahl). Wenn das Haus neu gebaut wird, handelt es sich dabei um 100‘000$ Ausgaben, die in der Wirtschaft stattfinden. Aber die Familie hat auch Schulden auf sich genommen und sie wird wahrscheinlich weniger Geld ausgeben, weil sie weiss, dass sie die Schulden zurückzahlen muss.

Aber die Schulden werden nicht auf einmal bezahlt. Und es gibt keinen Grund, zu erwarten, dass die Familie ihre Ausgaben jetzt um 100‘000$ kürzt. Die jährliche Hypotheken-Rückzahlung beträgt rund 6‘000$, sodass man vielleicht einen Rückgang der Ausgaben um 6‘000$ erwarten kann, was nur einen kleinen Bruchteil des kreditfinanzierten Kaufs ausgleicht.

Nun beachte man, dass diese Familie wie der repräsentative Haushalt in einer Ricardo-Äquivalenz-Wirtschaft ist, die auf ein durch ein Defizit finanziertes Infrastruktur-Projekt im Lucas Brückenbau-Beispiel reagiert. In diesem Fall weiss der Haushalt wirklich, dass die Ausgaben von heute das verfügbare Einkommen in Zukunft verringern werden. Und auch wenn es so ist, bezieht ihre Reaktion wenig Ausgleich in Bezug auf die anfänglichen Ausgaben ein, argumentiert Krugman.

Wie kann jemand, der eine Minute darüber nachdenkt, geschweige denn jemand mit einer wirtschaftswissenschaftlicher Ausbildung, in dieser Hinsicht so falsch liegen? Und doch fast jeder auf der Süsswasser-Seite dieser Kluft hat es falsch und muss laut Krugman den Fehler zur Kenntnis nehmen.

Exkurs:

Die Ricardianische Äquivalenz besagt, dass die Wirtschaftssubjekte in der Lage sind, zu erkennen, dass eine Steuersenkung heute zu einer Steuererhöhung in Zukunft führt und ihr Vermögen daher über die Lebenszeit davon nicht tangiert wird. Die Menschen geben daher das zusätzliche Geld, das sie über die Steuersenkung bekommen, nicht für zusätzlichen Konsum aus. Eine fiskalpolitische Massnahme, die darauf abzielt, via Steuersenkung die Konjunktur anzukurbeln, löst demnach keinen positiven Effekt aus. Das heisst, dass der private Sektor das Staatsbudget vollständig internalisiert, was aber wie Paul Krugman vorführt, in der Tat nicht zutrifft.

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