Das Argument, dass die Reichen einen grösseren Anteil an Steuerschulden haben sollen als die Armen, stützt sich nicht allein auf Fairness ab.
Mark Thoma erklärt in einem lesenswerten Essay („The Great Economic Divide Makes Everyone Poorer“) in The Fiscal Times anhand von hervorragenden Beispielen aus dem aktuellen Buch („The Darwin Economy“) von Robert Frank, dass der Aufruf an die Reichen, einen grössen Anteil zu den Steuereinnahmen der öffentlichen Hand beizutragen, uns ermöglicht, über mehr Güter und Dienstleistungen zu verfügen als wenn wir eine gerechtere Steuerstruktur hätten. Es ginge damit jedem besser und die wirtschaftliche Effizienz würde verbessert.
Wie funktioniert es? Stellen Sie sich vier Familien, die einen grossen, gemeinsamen Hinterhof haben, vor. Die Familien möchten dort eine Schaukel, Rutsche usw. für ihre Kinder installieren. Das Set kostet 1‘200$ und die Familien müssen herausfinden, wie sie zahlen.
Eine der Haushalte ist ziemlich wohlhabend und wäre bereit, bis zu 800$ für das Set zu zahlen. Aber die anderen drei Familien ringen darum, sich zu einigen und jede Familie ist gewillt, 250$ zu zahlen. Diese Familien wollen das Set für die Kinder wirklich haben, sogar mehr als die wohlhabende Familie. Aber auch 250$ sprengt ihr knappes Budget.
Wenn man alle Familien bittet, gleichermassen dazu beizutragen, d.h. 300$, um das Schaukel-Set zu kaufen, klappt es nicht, weil die Teilsumme mehr beträgt als die drei (ärmeren) Familien zu zahlen bereit sind.
Es gibt aber Möglichkeiten, damit der Schaukel-Kauf doch noch klappt. Wenn beispielsweise die wohlhabende Familie vorschlagen würde, die Hälfte der Kaufkosten zu übernehmen, d.h. 600$, würden 600$ übrig bleiben, d.h. 200$ je Familie. Die wohlhabende Familie hätte ein Schaukelset für 600$, auch wenn sie bereit wäre, bis 800$ dafür zu zahlen. Die Volkswirte reden hierbei von einer Familie, die eine Konsumentenrente (consumer surplus) von 200$ hat. Die weniger wohlhabenden Familien würde eine Konsumentenrente von 50$ je bekommen, da sie je 200$ für den Kauf von Schaukel-Set beitragen, auch wenn sie bereit wären, bis 250$ zu zahlen.
Wenn wir also darauf bestehen, dass alle gleiche Beiträge liefern, würden wir auf die Möglichkeit verzichten, alle Familien besser zu stellen, hält Thoma fest. Jede Familie hätte mehr Güter und Dienstleistungen zur Verfügung, und zwar zu einem niedrigeren Preis als alle bereit wären, zu zahlen. In wirtschaftlicher Hinsicht bedeutet es, dass die Zulassung von ungleichen Beiträgen die Effizienz steigert.
Nun wollen wir das Beispiel etwas ändern: Angenommen alle Familien wohnen im gleichen Blockhaus und teilen ein gemeinsames, im städtischen Besitz befindliches Gelände. Aber sie kennen sich kaum und haben wenig Interaktion miteinander. Auch wenn die Stadt ihnen erlauben würde, Spielgeräte im gemeinsamen Gelände zu installieren, wenn sie sich einigen, wie zu zahlen ist, sind Vertrauen und Wissen, die notwendig sind, eine Einigung zu erzielen, nicht vorhanden. Jeder Haushalt könnte befürchten, dass die anderen Haushalte ihre Situation falsch darstellen, um die Kosten anderswohin zu verlagern.
Das ist die Stelle, wo der Staat eine Rolle spielt: Nichts hat sich am Beispiel geändert, bis auf die Fähigkeit des Einzelnen, zu einer Einigung zu kommen. Die Familien wollen immer noch Spielgeräte und sie haben die gleiche Bereitschaft, wie früher zu zahlen. Wenn der Staat die Geräte installieren und die Rechnungen an die Familien schicken würde, würde die wohlhabende Familie 600$ und die weniger wohlhabende Familien je 200$ zahlen. Und jede Familie wäre besser dran als zuvor.
Das ist natürlich ein Argument für den Staat, bestimmte Arten von Waren durch eine Steuer-Struktur bereitzustellen, wobei die Reichen aufgefordert würden, einen grösseren Anteil zu entrichten, basierend auf Effizienz statt Gerechtigkeit. Aber es gibt ein Problem. Dies funktioniert nur, wenn die Reichen und die Armen in den gleichen Vierteln wohnen, die gleichen Strassen teilen, die gleichen Parks benutzen und die gleichen Schulen besuchen usw.
In einer zunehmend geteilten Wirtschaft und Gesellschaft wie z.B. in den USA in den letzten Jahrzehnten, verschwinden die Chancen für Arragements mit gegenseitigen Vorteilen, unterstreicht Thoma. Wenn die Reichen nicht dieselben Schulen besuchen, nicht in den gleichen Vierteln leben wie die Armen, besondere Linien zum Flughafen haben und öffentliche Bäder meiden und eigene Tennisplätze, Golfplätze und Parks haben, wenn sie den Stadtverkehr mit Hubschrauber vermeiden, ihre eigenen Sicherheitsvorkehrungen unabhängig von der Polizei treffen (die Liste liesse sich weiter und weiter führen), dann gehen diese Möglichkeiten verloren.
Im obigen Beispiel, stelle man sich vor, dass die wohlhabenden Familien in einem separaten Areal leben, und jede Familie über ein eigenes grosses Grundstück verfügt. Die wohlhabende Familie war bereit, bis auf 800$ für das Schaukel-Set im Wert von 1‘200$ zu zahlen. Nun wird es mit dem Kauf nicht klappen. Da die weniger wohlhabenden Familien bereit sind, nur 250$ je zu zahlen, reicht das Geld der vier Familien nicht aus, um das Schaukel-Set zu kaufen. Die Kinder müssen leider ohne Spielgeräte auskommen.
Nimmt das Wohlstandsgefälle zu, werden die wohlhabenden Familien in der Lage und willens sein, das Schaukel-Set für ihren privaten Gebrauch zu kaufen, aber selbst dann dürfte das Gelände mit den Spielgeräten die meiste Zeit im Leerlauf herumstehen, ohne durch die Kinder der gemeinsamen vier Haushalten benutzt zu werden, fasst der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor zusammen.
Fazit: Je mehr die Gesellschaft geteilt wird, desto weniger gemeinsame Erfahrungen wird es geben, die die Menschen haben. Die Reichen leben in einer Welt, die Armen leben in einer anderen und die für die beiden Seiten vorteilhaften Vereinbarungen zwischen den beiden Gruppen bleiben aus. Und alle wären aus diesem Grund schlechter dran.
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