Montag, 12. Dezember 2011

Es ist Depression

Es ist Zeit, zu beginnen, die gegenwärtige Situation zu bezeichnen, was es ist: eine Depression, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Montagskolumne („Depression and Democracy“) in NYT.

Es stimmt, es ist nicht eine vollständige Wiederholung der Grossen Depression, aber das ist ein schwacher Trost, hebt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) hervor. Arbeitslosigkeit bleibt sowohl in Amerika als auch in Europa katastrophal hoch. Politische Entscheidungsträger und Institutionen werden zunehmend diskreditiert. Und die demokratischen Werte sind im Belagerungszustand.

Krugman betont, dass er kein Panikmacher sei, was das letzte Argument betrifft. Was passiert aber in Europa? Die Euro-Krise tötet den europäischen Traum. Die Gemeinschaftswährung, die angeblich die Nationen zusammenbinden sollte, hat stattdessen eine Atmosphäre der Bitterkeit hervorgerufen.

Insbesondere die Forderungen nach immer härterem Sparkurs, ohne gleichzeitige Bemühungen darum, mehr Wachstum zu fördern, sind als Wirtschaftspolitik gescheitert. Eine europaweite Rezession sieht jetzt wahrscheinlich aus, auch wenn die unmittelbare Gefahr der Finanzkrise gebannt ist. Und die Massnahmen haben eine immense Wut ausgelöst, mit vielen wütenden Europäern, die es gerecht oder ungerecht (oder tatsächlich ein bisschen von beidem) als eine unbarmherzige Übung der deutschen Macht wahrnehmen, schildert Krugman.


Die Finanzkrise hat eine negative Auswirkung auf die Förderung der Demokratie, Graph: EBRD (Transition Report) via Prof. Paul Krugman

Niemand, der die Geschichte Europas kennt, kann dieses Wiederaufleben der Feindseligkeit ohne das Gefühl eines Schauers betrachten. Doch es dürften noch schlimmere Sachen passieren, beschreibt Krugman. Rechtspopulisten sind von Österreich bis Finnland auf dem Vormarsch. In Österreich führt die Freiheitliche Partei (deren Chef Neo-Nazi Verbindungen hat) ein Kopf-an-Kopf Rennen in den Umfragen mit den etablierten Parteien. In Finnland hat die Anti-Einwanderer True Finns Partei in den Wahlen im letzten April stark abgeschnitten.

Im vergangenen Monat hat die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung festgestellt, dass es in den Ländern, die nach dem Fall der Berliner Mauer der EU beigetreten sind, zu einem scharfen Rückgang der öffentlichen Unterstützung für die Demokratie gekommen ist. Kein Wunder, dass der Verlust des Vertrauens an die Demokratie gerade in den Ländern, die die tiefste Wirtschaftskrise erlitten, am grössten ist, legt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor dar.

Und mindestens in einem Land, Ungarn, werden die demokratischen Institutionen untergraben. Jobbik, eine der grössten Parteien Ungarns, ist ein Albtraum aus den 1930er Jahren: die Partei ist anti-Roma und antisemitisch und hat sogar einen paramilitärischen Arm. Aber die unmittelbare Bedrohung kommt von Fidesz, der regierenden Mitte-Rechts-Partei. Fidesz gewann eine überwältigende parlamentarische Mehrheit im vergangenen Jahr, zumindest teilweise aus ökonomischen Gründen. Die Fidesz scheint nun versessen darauf, die Macht dauerhaft zu erhalten.

Zusammen genommen deutet das alles auf eine Wiederherstellung von autoritärer Herrschaft hin, unter einer hauchdünnen Fassade der Demokratie, und zwar in der Mitte Europas. Und es ist eine Probe dessen, was weit verbreitet passieren dürfte, wenn die Depression sich fortsetzt, legt Krugman dar.

Die EU hat eine Chance verpasst, den Machtgriff am Anfang abzuwenden. Es wird viel schwerer, das Abrutschen rückgängig zu machen. Doch die führenden Politiker Europas sollten versuchen oder riskieren, alles zu verlieren, wofür sie stehen. Und sie müssen ihre gescheiterte Wirtschaftspolitik überdenken. Wenn sie es nicht tun, wird es noch mehr Rückfall in Sachen Demokratie geben. Und das Auseinanderbrechen des Euro könnte die Geringste ihrer Sorgen sein.

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