Der Euro hat zwei riesige Probleme: Die Schulden- und Bankenkrise nimmt wegen der Unmittelbarkeit und der hohen Dramatik aller Gipfeltreffen alle Aufmerksamkeit in Beschlag. Aber das andere, langsamer wirkende Problem, die Schieflage in Sachen Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Euro-Zone, ist weit mehr hartnäckig, schreibt Alan Blinder in einem lesenswerten Kommentar („The Euro Zone’s German Crisis“) in WSJ.
Zunächst das unmittelbare Problem: Der Euro war ein kühnes Unterfangen, welches den Karren vor viele Pferde setzte, legt der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor dar. Das grundlegende Problem ist, dass die Euro-Zone nicht ein Staat ist.
Anfänglich 11, und jetzt 17 souveräne Staaten haben einen Vertrag für eine Währungsunion unterzeichnet, ohne ihre Haushaltspolitik, ihre Steuersysteme, die Regulierung der Banken und vieles mehr zu homogenisieren. Und sie taten es so, ohne eine genug starke zentrale Regierung zu schaffen, die in der Lage wäre, grenzüberschreitende Disziplin zu verhängen oder länderübergreifende Transfers zu finanzieren.
Was Ökonomen antiseptisch „asymmetrische Schocks“ nennen, ist die Achillesferse einer Währungsunion. Im Klartext: Wenn einige Länder gut schaffen und andere nicht, wird es für die entwicklungsfähigen Länder unwohl wie im Prokrustesbett: wegen der Gemeinschaftswährung.
Es gibt i.d.R. drei Wege, um dem entgegenzusetzen: (a) lockere Geldpolitik, (b) lockere Fiskalpolitik und (c) Abwertung.
Aber die Mitgliedschaft in der Euro-Zone schliesst zwei dieser Notausstiege aus. Es bleibt nur die Fiskalpolitik übrig. Wenn ein Mitgliedsland (wie z.B. Griechenland) aber seine Kreditfähigkeit bis an die Grenzen streckt, schliesst sich auch dieser Weg aus. Was passiert dann? Die Antwort lautet: eine Depression, wie die griechische Tragödie zeigt. Das BIP Griechenlands ist um 12% eingebrochen und es fällt weiter.
Blinder bemerkt mit dem Hinweis auf das jüngste Gipfel-Treffen der EU, dass die beschlossenen Sparmassnahmen die Rezession vertiefen werden.
Das grössere Problem betrifft aber die Wettbewerbsfähigkeit in der Euro-Zone. Es gibt zwei grundsätzliche Determinanten für Wechselkurse: (I) Produktivität in verschiedenen Länder: Das schnellere Produktivitätswachstum führt ceteris paribus zu einem Anstieg des Wechselkurses. Und (II) Preise und Löhne in verschiedenen Ländern: Eine tiefere Inflation führt i.d.R. zu einem Anstieg des Wechselkurses. Damit eine Währungsunion erfolgreich wird, müssen die Mitgliedstaaten etwa gleiches Produktivitätswachstum und etwa gleich Lohn- und Preisinflation verbuchen.
Die gemeinsame Geldpolitik der EZB hätte ungefähr zu sich angleichenden Inflationsraten in allen Mitgliedsländern führen sollen. Das hat aber in der Praxis nicht geklappt. Deutschland hat seit der Einführung der Gemeinschaftswährung die geringste Inflation, Griechenland und Spanien die höchsten.
Was die Produktivität betrifft, ist Deutschland einfach weggezogen. Seit 2000 hat Deutschland um 20 bis 30% geringere Lohnstückkosten als in jedem anderen Mitgliedsland der Eurozone. Die Wettbewerbslücke hat zu einem massiven Handelsbilanzüberschuss in Deutschland geführt, während die meisten anderen Länder Defizite machen.
Es gibt für die anderen Länder laut Blinder drei Wege, um die Wettbewerbslücke mit Deutschland zu schliessen: (1) Deutschland kann freiwillig eine etwas höhere Inflation als im Rest der Euro-Zone zulassen, und ein umfangreiches Konjunkturpaket (fiscal stimulus) umsetzen und die Lohnzurückhaltung beenden. Eine fast unmögliche Annahme, weil Deutschland nie mitmachen würde. (2) Die anderen Länder können ein Produktivitätswunder à la Deutschland durch Strukturreformen arrangieren, während Deutschland relativ gesehen stillsteht. Der Zeitpunkt ist aber falsch, weil Reformen mehrere Jahre in Anspruch nehmen und (3) Die anderen Länder können Deflation erleben, d.h. einen anhaltenden Rückgang sowohl der Löhne als auch der Preise, was unglaublich schwierig und leidvoll ist. So was geschieht i.d.R. nur in langwierigen Rezessionen. Dies scheint laut Blinder leider der wahrscheinlichste Ausweg.
Fazit: Die Euro-Zone hat ein grosses, sichtbares griechisches Problem, was die Folge des Versagens ist. Aber die Euro-Zone hat ein weit grösseres, wenn auch weniger sichtbares deutsches Problem, was die Folge des Erfolgs ist, fasst Prof. Blinder zusammen.
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