Martin Wolf schreibt in einem lesenswerten Essay („Fear must not blind us to deflation’s dangers“) in FT, dass sich derzeit ein Konsens über eine scharfe Straffung der Fiskalpolitik in Ländern mit grossen Haushaltsdefiziten bildet. „Doch was macht aber die Politiker so sicher, dass Unternehmen und Verbraucher aus Reaktion auf die Sparmassnahmen beginnen würden, Geld auszugeben? Was, wenn sie herausfinden, dass die Wirtschaft in eine Rezession oder gar in Deflation kippt? Die Weltwirtschaft ist laut Wolf z.Z. mit zwei Risiken konfrontiert: (1) Ein Grossteil der industrialisierten Welt wird zu Griechenland, und (2) sie wird zu Japan. Adam Posen hat neulich in einer Rede unterstrichen, dass eine fiskalpolitische Kontraktion zusammen mit anhaltenden Problemen im Bankensektor und unzureichend lockerer Geldpolitik die negativen Schocks im Jahr 1997 generiert hatte, sodass Japan tiefer in Deflation geriet. Viele Wirtschaftshistoriker argumentieren indiesem Zusammenhang, dass die USA im Jahr 1937 einen ähnlichen Fehler gemacht haben. Wolf wundert sich, ob die Welt nicht zurückblickt, was gerade jetzt geplant wird?
„Deutschland’s Engagement für mehr Sparmassnahmen in der gesamten Euro-Zone ist gewaltig, wenn kaum verwunderlich“, erklärt Wolf. Auch Grossbritannien scheint auf demselben Weg zu sein. Glücklicherweise haben sich die USA dem Konsens nicht angeschlossen, bemerkt der angesehene Chefredakteur von FT weiter. Japan steckt fest in Deflation. Die Kerninflation beläuft sich in Deutschland auf nur 0,3%. In den USA beträgt die Kernrate der Inflation 0,9%. Ein weiterer wirtschaftlicher Schock könnte diese Volkswirtschaften in die Deflation treiben, mit all den eingehenderen Schwierigkeiten und dem Versuch, die Geldpolitik in einer „post-bubble deleveraging“-Welt zu stärken, so Wolf. „Trotz heroischen Anstrengungen der Zentralbanken verbleibt das Wachstum der Geldmengenaggregate gedämpft, weil der Transmissionsmechanismus zum Erliegen gekommen ist. Monetaristen sollten sich daher, was Inflationsrisiken betrifft, entspannen. Sie sollten sich stattdessen darüber Sorgen machen, ob es Zentralbanken gelingt, die notwendige Liquidität in den Privatsektor zu pumpen“, erläutert Wolf. Was würde eine grosse Straffung der Fiskalpolitik vor diesem Hintergrund bringen? In Ermangelung einer wirksamen Geldpolitik wäre zu erwarten, dass die aggregierte Nachfrage möglicherweise scharf einbrechen würde, erklärt Wolf. Manche Ökonomen, die an „Ricardian Äquivalenz“ glauben, denken, dass die privaten Ausgaben die Straffung der Finanzpolitik automatisch ausgleichen würden. Wie Adam Posen darauf verwiesen hat, gibt es aber keinen guten Beweis dafür, dass die Ricardian Equivalence (Das ricardianisches Äquivalenztheorem) die Fiskalpolitik kompensiert. Die Haushaltsdefizite in den Industrieländern sind heute sicherlich eine Folge der „post-Krise Sparmassnahmen durch die Privaten“, nicht umgekehrt, hebt Wolf hervor. Als Fazit vertritt Wolf die Meinung, dass eine vorzeitige Straffung der Finanzpolitik eine grosse Gefahr darstellt, genau so wie eine verspätete Straffung der Geldpolitik. Die Weltwirtschaft bleibt erschreckend zerbrechlich. Nur wer glaubt, dass die Wirtschaft ein „Spiel der Moral“ (morality play)ist, würde die schmerzhaften Folgen geniessen, fasst Wolf zusammen.
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