Analog zur Inflation-Deflation-Debatte findet nun ein Disput über die Austerität-Stimulanz-Frage statt. Obwohl die Antwort klar scheint, wird auf beiden Seiten des Atlantiks darüber gestritten, wie die Wirtschaft in einer Depression angekurbelt werden soll. Durch mehr Geld ausgeben oder einen rigorosen Sparkurs? „Es ist nur allzu häufig für Washingtons Debatten über die Wirtschaft, dass die vertretenen Meinungen über wenig Logik und Beweis verfügen. Die Debatte darüber, ob die Obama-Regierung das Beschäftigungswachstum oder den Defizitabbau betonen soll, ist nur das jüngste Beispiel dafür“, bemerkt Jared Bernstein in einem lesenswerten Essay („Deficit reduction is not the enemy of jobs“) in FT. Die US-Wirtschaft braucht dringend zwei Politiken, sagen die Kritiker, die in entgegengesetzte Richtungen ziehen: mehr staatliche Unterstüzung für Arbeitsplätze und ein glaubwürdiger Weg zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Im derzeitigen Umfeld der Wirtschaft sind jedoch Arbeitsplätze und Defizitabbau Freunde, nicht Feinde, argumentiert Bernstein.
"Es ist eine einzigartige Freundschaft zu Zeiten wie der gegenwärtigen. Wenn die Wirtschaft sich wieder erholt, werden die Staatsausgaben zum Schlüssel für den Schuldenabbau und den Umgang mit den steigenden Kosten im Gesundheitswesen", so der Wirtschaftsberater von Joseph Biden, dem Vize-Präsidenten der USA. „Doch die Politiker sollten wissen, dass ein Dollar, den die Regierung heute ausgibt, weniger zum Defizit beiträgt, als ein Dollar, der ausgegeben wird, wenn die Wirtschaft in Vollkapazität läuft“, erklärt Bernstein. „In normalen Zeiten ist „deficit spendig“ wie die Zugabe von Wasser in ein Glas, das bereits voll ist. Die Ausgaben der öffentlichen Hand verdrängen die des privaten Sektors. Aber wenn die Wirtschaft so viele Arbeitslose hat, ist das Ergebnis anders“, ist Bernstein überzeugt. Wie Brad DeLong kürzlich darauf hingewiesen hat, gibt es in Zeiten wie diesen kein „crowding out“, sondern nur „crowding in“. Der „2009 Recovery Act“ fördert wie gesehen mit passenden Zuschüssen und Steuererleichterungen private Investoren, damit sie aus der Seitenlinie kommen und den Ausbau von neuen Industrien finanzieren, um neue Arbeitsplätze zumeist im Einklang mit sauberer Energie zu schaffen, so Bernstein. Die Existenz all dieser Überkapazitäten hält die Zinsen und die Inflation niedrig, sodass die Geldpolitik nicht gezwungen wird, einen Überlauf abzuwischen. Solche kurzfristige, vorübergehende Ausgaben erhöhen die mittel- oder langfristige Schuldenlast nicht. Die Ausgaben sind dafür da, um einen Zusammenbruch der Nachfrage auszugleichen. Sie werden zurückgefahren, sobald der private Sektor sich zurückmeldet. Es wäre falsch, diese Freundschaft zwischen dem Beschäftigungswachstum und dem Defizitabbau zu überbewerten. Das ist nicht ein „free lunch“. Aber die heutigen Bedingungen bedeuten, dass die tatsächlichen Kosten zum Erhalt von Arbeitsplätzen jetzt so viel wie 40% unterhalb der budgetären Kosten liegen, erklärt Bernstein.
„Ich würde sagen 70%“, schreibt Brad DeLong dazu ergänzend in seinem Blog, wenn man die Abhängigkeit von Unternehmensinvestitionen von aktuellen Unternehmensgewinnen berücksichtigt. Und wenn es Hysterese in Arbeitslosigkeit gibt, dann würde es höher steigen“, so DeLong, der statt von „fiskalischen Nachhaltigkeit“ lieber von „langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“ spricht.
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