Die grösste Finanzkrise der Geschichte schwappt von der Privatwirtschaft auf den öffentlichen Sektor über, schreibt Nouriel Roubini mit Arnab Das in einem interessanten Essay („Solutions for a crisis in its sovereign stage“) in FT. „Im besten Fall wird Europa’s Erholung darunter leiden, dass der einstürzende Euro auf Wachstum in den wichtigsten Handelspartnern lastet. Im schlimmsten Fall könnte der Zerfall der Gemeinschaftswährung oder eine Welle von ungeordneten Defaults das Finanzsystem aus den Angeln hebeln und in eine double-dip Rezession münden“, so die Autoren. Wie ist es aber dazu gekommen? Beginnend in den 1970er Jahren erleichterten die Liberalisierung der Finanzmärkte und die Innovationen die Kreditvergabe an den öffentlichen und privaten Sektor, erklärt Roubini. „Haushalte in den Industrieländern konnten dank Fremdkapital über ihre Verhältnisse leben. Der Prozess wurde durch immer laxere Regulierung, durch immer häufigere und teuerere IWF-Rettungsaktionen und lockere Geldpolitik in den 1990er Jahren weiter gefüttert“, erklärt Roubini. „Die politische Unterstützung für die Demokratisierung des Kredit- und Wohneigentum-Besitztums hat den Trend nach 2000 noch mehr verstärkt“, so Roubini.
„Paradigmenwechsel wurde aufgerufen, um das von Schulden getriebene Wirtschaftswachstum weltweit zu rechtfertigen. Es kam zu einem Übergang vom „Kalten Krieg“ zum „Washington Consensus“. Die sog. Schwellenländer wurden in die Weltwirtschaft integriert. Das Ergebnis war ein Defizit in Ländern mit Konsumrausch und ein Überschuss in Ländern mit Export-Boom, wobei Lieferanten den Absatz gern selsbt finanzierten“, legt Roubin dar. Die globale Produktion und das Wachstum, Unternehmensgewinne, Haushaltseinkommen und Vermögen, öffentliche Einnahmen und Ausgaben haben laut Wirtschaftsprofessor an der Stern School of Business, New York University vorübergehend deutlich über das Gleichgewicht hinausgeschossen. Die Regierungen sind nun überall dran, Schulden aufzunehmen, um private Verluste zu sozialisieren, argumentiert Roubini weiter. „Aber öffentliche Verschuldung bedeutet letzlich private Belastung: Staaten bestehen durch die Besteuerung von privaten Einkommen und Vermögen oder über die ultimative Vermögensabgabe durch Inflation oder gar Default“. „Schliesslich müssen auch Staaten Schulden abbauen (deleveraging). Sonst wird die Staatsverschuldung explodieren. Siehe Griechenland“, bemerkt Roubini. „Es fehlt an Koordination. Deutschland führt einseitig ein Verbot für „nackte Leerverkäufe“ und die USA verfolgen ihre eigene Reform des Finanzsektors“, hebt er hervor. Die Überschussländer sind nicht bereit, den Konsum zu stimulieren, während die Defizitländer unnachhaltig Staatsschulden anhäufen. Die Euro-Zone bietet einen Anschauungsunterricht, wie auf eine systemische Krise nicht zu reagieren ist, erläutert der Gründer und Chairman von Roubini Global Economics. „Statt lokale Reaktionen zu balkanisieren, brauchen wir eine umfassende Lösung für dieses globale Problem“, ist Roubini überzeugt: (1) „Die Euro-Zone muss sich zusammenreissen. Sie muss deregulieren (?), liberalisieren, den Süden reformieren, im Norden die Nachfrage ankurbeln, um Dynamik und Wachstum wiederherzustellen. Die Geldpolitik muss gelockert werden, um die Deflation zu bekämpfen und die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Mechanismen zur Umstrukturierung von Staatsschulden müssen eingeführt werden, um Moral Hazard und Bail-outs zu begrenzen. Die Erweiterung der Euro-Zone muss aufs Eis gelegt werden“, (2) „Gläubiger müssen einen Schlag hinnehmen und Schuldner müssen sich anpassen. Das ist ein Solvenz-Problem. Griechenland ist die Spitze des Eisbergs“ und (3) „Es ist Zeit für eine radikale Finanzreform. Die Mehrzahl der Vorschläge sind unzureichend oder irrelevant. Grosse Finanzinstitute müssen entflochten werden. Sie sind zu gross, zu vernetzt und komplex geworden. Wir müssen zurück zum Glass-Stegall Act“, so Roubini.
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