Sonntag, 31. Mai 2009

Bond Vigilantes: Bürgerwehr der Anleihenhändler

Der regelrechte Ausverkauf der US-Staatsanleihen ist zur Zeit das dominierende Thema an den Märkten. Es wirft die grundsätzliche Frage auf, ob es sich dabei um ein Misstrauensvotum der Marktteilnehmer handelt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob die Obama-Administration herausgefordert würde, weil die Staatsverschuldung deutlich zunimmt und die Anleihenhändler demonstrativ Anstoss am steigenden Haushaltsdefizit (1'850 Mrd. $ für 2009) nehmen. Die Renditen schiessen durch die Decke und konterkarieren Fed-Chef Ben Bernanke’s Bemühungen, die Kreditkosten für Unternehmen und private Haushalte zu senken. Erstmals seit dem 18. März sind die Zinssätze für 30-jährige feste Hypothekendarlehen über die Marke 5% geklettert.


Bankrate 30Y Mortgage Rate, Graph: Bloomberg.com

Angeblich war’s Ed Yardeni, der den Begriff „Bond Vigilantes“ 1984 geprägt hat, um den Protest (Abstoss von US-Treasuries) der Investoren gegen die damalige Geld- und Fiskalpolitik zu beschreiben. Die Anleihenhändler befürchten derzeit einen kräftigen Inflationsanstieg, weil die Regierung und die Fed insgesamt rund 12'800 Mrd. $ ausgeben, um die Kreditmärkte zu entspannen. Allein 300 Mrd. $ setzt die Fed ein, um US-Treasuries am offenen Markt zu kaufen. 1'250 Mrd. $ sind für den Kauf von Wertpapieren, die mit Hypotheken verbrieft sind, vorgesehen. Wie ist es aber zu erklären, dass die Inflationsbesorgnisse zunehmen, während es keinen Preisdruck gibt und der Konsumentenpreisindex (CPI) heute deutlich tiefer liegt als ein Jahr zuvor? Der CPI verbucht in den vergangenen 12 Monaten den grössten Rückgang seit 1955. Handelt es sich dabei tatsächlich um eine eingebettete Inflationsprämie in den Bondmärkten, wie Pimco-Chef Bill Gross meint?


US TIPS 10Y, Graph: Bloomberg.com

In den Anleihenmärkten kommt es i.d.R. zu einer Rally, wenn die Wirtschaft in Rezession steckt. Das sind aber keine gewöhnliche Zeiten. Woran erkennt man dies? Zum Beispiel am US-Dollar Swap-Markt. US-Staatsanleihen gelten mit einem Rating von „AAA“ weltweit als risikolose und liquide Wertpapiere. Zur Zeit liegt aber die Rendite der 30-jährigen US-Treasuries mit 4,525% höher als die Rendite der 30-jährigen Swaps (4,327%). Das heisst, dass die Marktteilnehmer den amerikanischen Staatspapieren derzeit mehr Kreditrisiko beimessen als den Swaps. Das ist ziemlich bizarr. Eins steht fest: Es stecken keine Fundamentaldaten dahinter. Nur technische Gründe führen im Sog der anhaltenden Krise zu dieser sonderbaren Situation. Swaps sind Vereinbarungen zwischen zwei Vertragsparteien über den künftigen Austausch von Cash Flows. Der Swap-Satz ist der Preis, zu dem die Banken untereinander feste in variable Zinszahlungen tauschen. Andererseits ist es so, dass die CDS-Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte auf Treasuries von 100 Basispunkten (Rekordhoch vom 9. März) auf 41 Basispunkte per 25. Mai 2009 gefallen sind. Demnach ist das Default-Risiko für US-Treasuries inzwischen erheblich abgenommen, obwohl der Swap-Markt dies nicht angemessen widerspiegelt. Während die Renditen der 10- (3,46%) und 30-jährigen Treasuries (4,34%) heute steigen, liegen sie laut Bloomberg nach wie vor unter dem Durchschnittswert von 6,49% der vergangenen 25 Jahre.

Die Banken sind für ihre Kreditvergabe grundsätzlich auf die Bereitstellung von Zentralbankgeld durch die Fed angewiesen. Die Fed hat zur Zeit die Kontrolle über die Geldbasis. Das ist entscheidend. Angesichts der historischen Daten gibt es eine positive Korrelation zwischen der Geldbasis und dem BIP-Wachstum. Die Auswirkung entfaltet sich jedoch innert 3 Jahren. In einem Zeitraum von 3 Jahren also führe ein Wachtum der monetären Basis um 1% zu einem BIP-Wachstum um 0,4%. Dieser Zusammenhang verschwinde jedoch in einer sehr langen Frist. Grund sei wahrscheinlich, dass das zunehmende Zentralbankgeld langfristig zu Inflation führe, so eine Studie. Da es aber in der Geschichte noch nie eine derart übermässige Ausweitung der monetären Basis gegeben hat, sind die Daten nicht gerade „schlüssig“, sondern stellen nur eine „grobe Anleitung“ dar. Es darf ferner nicht vergessen werden, dass die Schuldendynamik beim Staats ansteigt, wenn sie im privaten Sektor abnimmt. Es gibt also eine Korrelation zwischen Änderungen der Jahresraten der Kredite an den Staat und die Unternehmen.

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