Donnerstag, 7. Februar 2013

Warum wartet die Finanzreform auf nächste Krise?


Anat Admati hat neulich in einem lesenswerten Artikel („The Case Against Banking’s Case for Less Capital“) in Bloomberg dazu Stellung genommen, wie irreführend die Argumentation der Banken-Lobby ist, dass die höhere Eigenkapitalanforderungen die Kreditvergabe der Banken einschränken und die Wirtschaft beeinträchtigen.

Nun deutet die an der Stanford University lehrende Wirtschaftsprofessorin in einem weiteren lesenswerten Artikel („Must Financial Reform Await Another Crisis“) in Bloomberg darauf hin, die versteckten Verluste aus Darlehen zu erkennen und Zombie-Banken zu schliessen. Wenn die Verluste aus faulen Krediten nicht erkannt werden, werden schwache Banken das Geschäft weiter führen, und zwar mit schädlichen Folgen für den Rest der Wirtschaft, wie die japanische Erfahrung aus den 1990er Jahren zeigt.

Der einfachste Weg, das Befinden und die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen ist, zu unterbinden, dass die Banken Bar-Auszahlungen (wie z.B. Dividenden) machen, erklärt Admati. Die Banken sollen die Gewinne zurückbehalten, bis sie mehr Eigenkapital aufweisen. Diese Massnahmen würden laut Admati sofort Vorteile bringen und keine nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft entfalten. In der Tat sind die Gewinnrücklagen die beliebteste Finanzierungsquelle für Unternehmen. Siehe z.B. Apple.

Admati erinnert daran, dass die US-Aufsichtsbehörden Banken 2007 und 2008 erlaubt hatten, hohe Dividenden auszuschütten, auch nach dem Ausbruch der Subprime-Krise im August 2007. Die Auszahlungen haben die Banken erheblich geschwächt. Die Beträge, die die grössten Banken an ihre Aktionäre ausgezahlt haben, beliefen sich auf fast die Hälfte der Gelder, die die US-Regierung durch das TARP an die Banken hat zukommen lassen. Hätten die Banken auf die Auszahlung von Dividenden verzichtet, wäre viel weniger staatliche Unterstützung nötig gewesen.

Admati bedauert ferner, dass die volle Wirkung des Basel III-Regelwerkes bis 2019 ausgesetzt wurde. Es mache keinen Sinn, eine solche Verzögerung zuzulassen, mit der Begründung, dass die Banken Zeit brauchen, die entsprechenden Anpassungen durchzuführen, wenn man gleichzeitig die Auszahlung von Dividenden gestattet, was eindeutig zum Abbau von Eigenkapital beiträgt. Die Auszahlungen zu ermöglichen, bevor die Banken die neuen Eigenkapital-Anforderungen erfüllen, bringt nur Banken Vorteile, während die Öffentlichkeit die Risiken trägt.

Wenn eine Bank nicht in der Lage ist, neues Eigenkapital zu beschaffen, weil sie keine Gewinne erwirtschaftet oder einfach keine Aktien verkaufen kann, ist es ein Grund, zu vermuten, dass die Bank höchst notleidend ist. In einem solchen Fall sollten die Aufsichtsbehörden einschreiten, und die Darlehen und sonstige Vermögenswerte im einzelnen überprüfen und die Bank schliessen, falls sie zahlungsunfähig ist. Verdeckte Insolvenzen sind hochgrädig ineffizient und dürfen nicht beibehalten werden, argumentiert Admati.

Die Eigenkapitalanforderungen via Basel III sind einfach viel zu niedrig. Die Anforderungen für das sog. Kernkapital (common equity) wurden zwar von 2% auf 7% erhöht. Aber die Quote ist im Verhältnis zum Eigenkapital der Bank als risikogewichtete Aktiva (RWA: risk-weighted assets) zu sehen. Die Bezugnahme auf die RWA anstatt auf die gesamten Vermögenswerte schwächt die Eigenkapitalanforderungen erheblich, hält Admati fest.

Die Deutsche Bank AG hat beispielsweise rund 55 Mrd. Euro Eigenkapital in ihrer Bilanz per Ende 2011, was mehr als 14% der RWA repräsentiert, weit mehr als das Basel III-Regelwerk verlangt, aber nur 2,5% der gesamten Vermögenswerte der Bank vertritt. Wenn das Eigenkapital 2,5% der gesamten Vermögenswerte der Bank ausmacht, dann würde ein Rückgang der Vermögenswerte um 2,5% das Eigenkapital der Bank plattmachen, was Zahlungsunfähigkeit nach sich zöge.

Seit 2007 sind mehrere grosse Banken sind von relativ kleinen Verlusten zahlungsunfähig geworden oder insolvent gewesen wären, wenn sie mit dem Geld der Steuerzahler nicht gerettet worden wären, unterstreicht Admati.

Zum Schluss bemerkt die Autorin des soeben erschienenen Buches („The Bankers‘ New Clothes“), dass der Banking-Sektor schrumpfen könnte, wenn die Banken nicht mehr in der Lage wären, subventionierte Kredite zu vergeben. Aber dies muss keine Bedenken auslösen. Die gegenwärtige Grösse des Sektors mag auch zu gross sein.

Die richtige Grösse einer jeden Industrie sollte durch die Märkte bestimmt werden, da verschiedene Unternehmen um Ressourcen, einschliesslich Menschen konkurrieren. Im Bankwesen ist der gewöhnliche Marktmechanismus jedoch durch staatliche Garantien, Rettungsmassnahmen und günstige Kreditaufnahme der Banken auf Kosten der Steuerzahler verzerrt. Solche Verzerrungen sind höchst ineffizient. Übertriebene Fremdkapitalaufnahme durch die Banken setzt die Öffentlichkeit unnötigen Risiken im Hinblick auf die finanzielle Stabilität und Krisen aus, während keine Vorteile erkennbar sind.

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