Mittwoch, 27. Februar 2013

Ist die 90%-Marke eine Zombie-Idee?


Miles Kimball schreibt in seinem Blog, dass Paul Krugman nicht verstehe, was mit Italiens Wirtschaft nicht stimme.

Kimball stützt sich dabei auf die von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff  im Buch „This Time is Different“ vertretene These („Debt Overhangs: Past and Present“) ab, dass die Staatsverschuldung ab einem gewissen Punkt sehr teuer zu stehen kommen kann.

Reinhart und Rogoff vertreten die Meinung, dass das Wachstum einer Volkswirtschaft sich markant verlangsamt, wenn die Schudenstandsquote (debt-to-GDP ratio) 90% des BIP überschreitet.

Kimball unterstreicht vor diesem Hintergrund, dass die Staatsverschuldung in Grossbritannien 98% und in Italien 120% des BIP ausmacht. Er könne daher Krugman nicht folgen, wie dieser mehr Stimulus bzw. erhöhte Staatsausgaben fordern könne, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln.

Krugman wartet nicht lange und antwortet in seinem Blog darauf: „Was soll ich nicht verstanden haben? Es geht um einen anderen Aufruf von Reinhart & Rogoff, dass schlimme Sachen passieren, wenn die Verschuldung die 90% Marke im Vergleich zum BIP überspringt".

Es handelt sich dabei nicht um ein etabliertes Ergebnis, sondern um eine Korrelation, die genauso gut einen Weg vom langsamen Wachstum hin zur hohen Verschuldung reflektieren oder auf dritte Faktoren wie institutionelle Dysfunktion in Sachen Wachstum und hohe Verschuldung hindeuten könnte, legt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises dar.


Die 90%-Marke ist nicht bewiesen, Graph: Mike Konczal in Next New Deal

Die letzte Möglichkeit wird besonders überzeugend, wenn man sich die vollständige Liste der Industrieländer ansieht, die in den vergangenen 50 Jahren die 90%-Marke überschritten haben: Japan, Italien, Belgien, Griechenland.

Japan und Italien hatten hohe Schulden und ein langsames Wirtschaftswachstum. Will man nun wirklich sagen, dass die Verschuldung der einzige Grund für das langsame Wirtschaftswachstum gewesen ist? Oder dass die Verlangsamung des japanischen Wirtschaftswachstums in den 1990er Jahren keine Rolle für den Anstieg der Schulden gespielt hat? 

Will man wirklich sagen, dass die Verschuldung der einzige Grund für die schlechte Performance der italienischen Wirtschaft ist? Wenn die Antwort darauf nein ist, dann hat man damit gesagt, dass man an die Ergebnisse von Reinhart & Rogoff nicht glaubt, hält Krugman fest.

Warum stellen sich die Leute vor, dass es ein definitives Ergebnis ist? Das ist offensichtlich. Die These von Reinhart & Rogoff in Bezug auf die Verschuldung wurde schon früh von Defizit-Schimpfern übernommen, weil sie besagt, was sie gern hören wollen, erklärt Krugman. Dann wurde daraus Orthodoxie v.a. durch den sog. Scarborough-Effekt: Very Serious People hören von anderen Very Serious People, wie angebliche Feststellungen zitiert werden, die dann ständig wiederholt werden. Und am Schluss glauben alle daran, als ob es wahr wäre.

Fazit: Daran zu glauben, dass die 90%-Marke ein definitives Ergebnis ist, ist eine Zombie-Idee. Und professionelle Ökonomen sollten es zumindest besser wissen.

Auch Dean Baker bemerkt in seinem Blog dazu, dass es wirklich unmöglich ist, Ursache-Wirkung zu entwirren. Die Länder, die eine Schuldenstandsquote über 90% des BIP hatten, hatten andere grosse Probleme, welche wahrscheinlich auf dem Wirtschaftswachstum lasteten, auch wenn sie keine hohe Schulden gehabt hätten.

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