Thomas Jordan hat gestern Abend in einem
interessanten Referat („Starker Franken
und hoher Ertragsbilanzüberschuss: ein Widerspruch?“) in Zürich die
Festlegung des Mindestkurses von 1,20 CHF pro EUR
in Schutz genommen.
Der
SNB-Präsident hat in diesem Zusammenhang
alle Vorwürfe im Hinblick auf sog. „Währungskriege“ (currency wars) zurückgewiesen: Die SNB führt keine „beggar-thy-neighbour“-Politik.
Jordan
hat zudem ausführlich erläutert, warum es keinen Widerspruch zwischen dem
starken Franken und dem hohen Schweizer Ertragsbilanzüberschuss gibt. Die SNB
hat bekanntlich die Preisstabilität zu gewährleisten und muss dabei der
konjunkturellen Entwicklung Rechnung tragen. Die Ertragsbilanz spielt für die
Geldpolitik keine Rolle.
Der
Schweiz geht es nicht darum, die eigene Wirtschaft mittels einer Schwächung der
Währung auf Kosten der anderen Länder zu
unterstützen. Dennoch wird neben Japan,
Grossbritannien und den USA auch die Schweiz erwähnt, wenn in der Politik Befürchtungen im Hinblick auf
einen Abwertungswettlauf geäussert werden.
Im
Mittelpunkt der Kritik steht der Ertragsüberschuss, der in der Schweiz 8,4% des BIP ausmacht. Das Argument
lautet, dass der hohe Überschuss ein Zeichen dafür sei, dass der CHF nicht
stark, sondern zu schwach sei. Die SNB soll demnach den Mindestkurs aufheben
und eine weitere Aufwertung des CHF zulassen. Mit der Zurückbildung des
Überschusses werde zum Abbau der globalen Ungleichgewichte beigetragen.
Der
hohe Ertragsbilanzüberschuss der Schweiz wird kaum vom Wechselkurs beeinflusst,
sondern von der internationalen Entwicklung, hält Jordan fest: Die Schweiz
leistet als kleine, offene Volkswirtschaft einen ansehnlichen Beitrag zu einem
ausgeglichenen globalen Wirtschaftswachstum.
Realer
handelsgewichteter Frankenkurs und Ertragsbilanzüberschuss, Graph: Thomas Jordan, SNB-Präsident,
Febr 19, 2013
„Ein
Ertragsbilanzüberschuss heisst für ein Land nichts anderes, als dass es im
Verkehr mit dem Ausland mehr einnimmt als ausgibt. Ein Teil der Einkommen
dieses Landes wird nicht für Konsum und Investitionen im Inland ausgegeben. Der
Sparüberschuss wird im Ausland angelegt, weshalb die Guthaben des Landes im
Ausland ansteigen“, erklärt Jordan.
Es
gibt aus Sicht der ökonomischen Theorie keinen optimalen Ertragsbilanzsaldo. Im
Grunde genommen ist jeder Saldo der Ertragsbilanz optimal, solange er ohne
verzerrende Einschränkungen des Güter- und Kapitalverkehrs zustande kommt, unterstreicht
Jordan.
Wie
in der folgenden Abbildung zu sehen ist, geht der Überschuss der Ertragsbilanz
nicht automatisch zurück, wenn der CHF sich real aufwertet. Der Überschuss
nimmt aber auch nicht automatisch zu, wenn der CHF sich abwertet. Die
Argumentation, wonach ein stärkerer realer CHF automatisch zu einem geringeren
Ertragsbilanzüberschuss führt, trifft daher für die Schweiz nicht zu.
Komponenten
der schweizerischen Ertragsbilanz, Graph:
Thomas Jordan, SNB-Präsident
Woran
liegt das? Der Saldo im Schweizer Warenhandel
macht nur einen Bruchteil des hohen Ertragsbilanzüberschusses aus. Für den
Fall China beträgt der Warenhandel
beispielsweise mehr als 80% des Ertragsbilanzüberschusses. Für den Schweizer
Ertragsbilanzüberschuss sind spezifische Faktoren verantwortlich. Der
Handelsbilanzsaldo trägt also nur wenig zum Überschuss bei.
Ertragsbilanzen
ausgewählter OECD-Länder, Graph:
Thomas Jordan, SNB-Präsident, Febr 19, 2013
(1) Kapitaleinkommen auf das hohe
Netto-Auslandsvermögen der Schweiz.
(2)
Einnahmen des Finanzsektors aus dem Geschäft mit ausländischen Kunden.
(3) Erträge aus dem Transithandel und
(4) statistische Verzerrungen in Bezug
auf den Ertragsbilanzüberschuss.
In
der Schweiz bestimmt nicht die Handelsbilanz die Ertragsbilanz, sondern zwei
Komponenten: (a) Kapitaleinkommen
und (b) Dienstleistungen.
Dargestellt werden jeweils die Netto-Erträge dieser Komponenten. Das heisst,
dass von den Einkommen, die vom Ausland in die Schweiz fliessen, die Einkommen,
die ins Ausland fliessen, abgezogen. Ein positiver Saldo bedeutet, dass die
Einnahmen höher sind als die Ausgaben. Die Saldi dieser beiden Komponenten
werden vom Wechselkurs kaum beeinflusst.
Die
Schweizer Wirtschaft kann laut Jordan mit einer graduellen, längerfristigen
Aufwertungen des realen Wechselkurses umgehen. Aber massive und abrupte
Veränderungen des Wechselkurses haben eine grosse Wirkung auf Preise und
Produktion in der Schweiz. Sie können zu Deflation
und Rezession führen.
Komponenten
der Dienstleistungen, Graph: Thomas
Jordan, SNB-Präsident, Febr 19, 2013
PS: Die Schweiz weist gegenüber dem Euroraum, dem grössten Handelspartner
traditionell ein Handelsbilanzdefizit
aus, was auch in der jüngster Zeit so geblieben ist.
PPS: Was ist unter Transithandel zu verstehen? Ein Handelsunternehmen mit Sitz in der
Schweiz kauft z.B. in Sambia Kupfer und verkauft es nach China. Das Kupfer wird
direkt nach China verschifft. Die Daten werden nicht in der Handelsbilanz
erfasst. Die Marge aus der Transaktion wird als Einnahme in der Ertragsbilanz
bilanziert.
PPPS: Was sind statistische
Verzerrungen? Bei den Erträgen aus Direktinvestitionen
werden die gesamten Gewinne der Tochtergesellschaften erfasst, also nicht nur
die ausgeschüttenen Dividenden. Bei den Portfolioinvestitionen
in Aktien werden hingegen nur die ausgeschüttenen Dividenen berücksichtigt. Bei
den Direktinvestitionen handelt es sich überwiegend um ausländische
Tochtergesellschaften von bekannten multinationalen Unternehmen, die an der
Schweizer Börse kotiert sind.
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