Matthew Kahn behauptet in einem Beitrag (“Optimal
Income Inequality”) im Blog „The
Reality-Based Economy“, dass Robert
H. Frank die Ansicht vertrete, dass die Menschen eine Vorliebe dafür
hätten, mit den Nachbarn mitzuhalten, d.h. mit den anderen gleichziehen zu
wollen, was die Bedenken im Hinblick auf das relative Einkommen betrifft.
Stimmt
es? Nein. Der an der Cornell University
lehrende Professor Frank hat zuletzt in seinem aktuellen Buch The Darwin Economy mit Nachdruck hervorgehoben, dass es irreführend ist, die
Menschen so zu charakterisieren. Denn die Ungleichheit würde sonst keine Rolle
spielen, wenn die Menschen lernen würden, negative Gefühle wie Neid und
Eifersucht zu ignorieren.
Es
kommt also doch auf die Ungleichheit an, und zwar aus einer Vielzahl von
Gründen, die mit solchen Emotionen nichts zu tun haben. Weil unsere Fähigkeit,
wichtige Lebensziele zu erreichen, oft stark davon abhängen, wie wir
verhältnismässig konsumieren, erklärt Frank in einem lesenswerten Artikel („Why
Inequality Matters“) im gleichen Blog als Antwort auf Kahn.
Wenn
man sich um eine Stelle bewirbt, wird empfohlen, im Vorstellungsgespräch gut
auszusehen, d.h. gepflegt zu erscheinen. Aber Gut-Aussehen ist ein
unausweichlich relativer Begriff. Wenn die anderen Mitbewerber mehr Geld für die
Kleidung ausgeben, ist es ratsam, dass man selbst genauso viel Geld ausgibt,
auch wenn die Wahrscheinlichkeit dadurch nicht steigt, dass man zu einem
weiteren Gespräch eingeladen wird, wenn alle gleich viel Geld für die Kleidung
ausgeben. Doch wenn die anderen Stellenbewerber mehr Geld ausgeben, gut
auszusehen, und wenn man es selbst nicht tut, sinken die eigenen Chancen im
Wettbewerb.
Der
Toil-Index, Graph: Prof. Robert H. Frank
Ebenso
beeinflusst die relative Summe, die man für die Unterkunft (housing) ausgibt, die Fähigkeit, die
Kinder zu guten Schulen zu schicken, beschreibt Frank weiter. Denn eine gute
Schule ist auch ein von Natur aus relativer Begriff. In fast jeder Umgebung liegen
die guten Schulen in teureren Wohnvierteln. Um die Kinder zu einer guten
Schule zu schicken, muss man die anderen im Hinblick auf die relativ teure
Unterkunft (Wohnverhältnisse) überbieten.
Nicht
zu erkennen, welche entscheidende Rolle die relativen Ausgaben spielen,
erklärt, warum viele daran scheitern, zu erkennen, dass wachsende
Einkommensungleichheit hohe ökonomische Kosten auf Familien mit mittlerem
Einkommen auferlegt, argumentiert Frank.
Das
Problem ergibt sich aus einem mehrstufigen Prozess, den Frank in Zusammenarbeit
mit Adam Seth Levine und Oege Dijk „expenditure cascades“ („Ausgaben-Kaskade“)
nennt.
Der
erste Schritt tritt auf, wenn Leute an der Spitze mehr Geld ausgeben, weil sie
einfach mehr Geld haben. Wenn sie immer grössere Villen bauen, verschieben sie
damit den “Bezugsrahmen“ (frame of
reference), was auch auf die Nachfrage der Familien mit niedrigerem
Einkommen auswirkt, die in überlappenden Vierteln leben. Diejenigen Menschen,
die nahe zu Reichen wohnen, fangen auch an, grössere Häuser zu bauen, was den „Bezugsrahmen“
für andere Menschen in der
Einkommensskale knapp darunter verschiebt.
Ein
konkretes Beispiel für die „expenditure cascade“ ist, dass das Median-neue-
Einfamilienhaus im Jahr 1970 1‘570 square
feet (ca. 146m2) hatte. Im Jahr 2007 umfasst die Wohnfläche mit 2‘300 square feet (ca. 214m2) fast
doppel so viel. Dieses Wachstum lässt sich laut Frank nicht einfach mit dem Anstieg des Durchschnittslohnes oder des Median-Familien-Einkommens
erklären.
Was
sich dramatisch verändert hat, ist der Kontext, wie die Median-Familie ihre
Entscheidung in Bezug auf die Wohnverhältnisse trifft. Die Abbildung zeigt, wie
schwierig es für die Median-Familie geworden ist, Schritt zu halten. Der Toil-Index gibt die Anzahl von Stunden
an, die der Median-Verdiener in den vergangenen 60 Jahren zur Deckung der
Kosten aufbringen muss, um sich eine Unterkunft im neuen Bezugsrahmen leisten
zu können.
Der
Toil-Index ist mit dem Anstieg der
Einkommensungleichheit seit Ende der 1970er Jahre in Tandem gestiegen. Der Median-Verdiener
musste 2010 82,9 Stunden arbeiten, fast doppelt so viel wie in den 1970er
Jahren, um sich ein Haus mit dem Median-Preis leisten zu können.
Das
Wohnungswesen repräsentiert natürlich nicht die einzigen Ausgaben, was im
Kontext Sensitivität aufweist, sondern auch ähnliche Ausgaben wie für die
Kleidung, Geschenke, Geburtstagsfeiern und andere Feste. Der Median-Verdiener
muss also heute viel mehr Geld ausgeben oder sonst erträgt er erhebliche gesellschaftliche
Nachteile. Doch ist es sicherlich so, dass die zusätzlichen Ausgaben der letzten
Jahre einen relativ ineffizienten Nutzen darstellen. Die durchschnittliche
Hochzeitsfeier kostet heute in den USA fast 30‘000 US-Dollar, nahezu doppelt so
viel wie im Jahr 1990. Glaubt jemand, dass die zusätzlichen Ausgaben
die Paare und ihre Familien glücklicher macht?
Die
Fürsprecher der Ungleichheit erinnern daran, dass die Armen heute viele Annehmlichkeiten
geniessen als früher nicht einmal die Reichen hatten geniessen können. Aber zu
argumentieren, dass steigende Einkommensungleichheit enorme Kosten auf Familien
mit mittlerem Einkommen verhängt, ist nicht dasselbe, zu argumentieren, dass
solche Familien es vor einem Jahrhundert besser gehabt hätten. Es kommt auch
auf das absolute Einkommen an.
Doch gerade, weil die
relative Kaufkraft so wichtig ist, sind auch sehr kleine absolute Einkommensunterschiede
ausreichend, ein hohes Mass an Anstrengung zu stimulieren, hält Frank fest. Viele der erheblichen Kosten im Zusammenhang mit hohen
Einkommensunterschieden sind damit völlig unnötig.
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