Die Enttäuschung, dass die EZB am
vergangenen Donnerstag die Zinsen unverändert belassen hat, wirkt in den
Märkten immer noch nach. Zumal EZB-Präsident Mario Draghi zudem keine Anstalten
gemacht hat, den geldpolitischen Kurs weiter zu lockern.
Wenn die EZB sich weigert, die Geldpolitik weiter zu lockern (z.B. via quantitative easing), ist im Angesicht
des trägen Wirtschaftswachstums und des fehlenden Preisdrucks zu erwarten, dass
Draghi den „akkommodierenden geldpolitischen Kurs“ für
einen längeren Zeitraum beibehält als die US-Notenbank.
Die OECD schätzt die
Produktionslücke (output gap) im
Euro-Raum für 2015 doppelt so gross wie in den USA und Grossbritannien.
Auch eine aktuelle Schäzung durch
Morgan Stanley gestützt auf die
10y10y Real-Zinsen legt nahe, dass das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum
(gemessen am Markt für inflationsgeschützte Staatsanleihen) für eine bestimmte
Zeit deutlich tiefer liegt als in den USA.
Der Euro-Raum ist m.a.W. secular stagnation (langanhaltende Stagnation)
näher als bisher im Allgemeinen angenommen wird.
Produktionslücke (output gap) im Euro-Raum ist doppelt so
gross wie die in der amerikanischen und britischen Wirtschaft, Graph: Morgan Stanley
Die Zinsstrukturkurve am Rentenmarkt für reale Renditen im
Euro-Raum ist bemerkenswert flach im Vergleich zu der Laufzeitstruktur der
Zinssätze in den USA.
Die Markterwartungen sind derzeit so verlagert, dass die EZB
gleichzeitig zu Normalisierung der Geldpolitik übergehen würde wie die Fed. Das
kann aber nicht sein. Da die EZB bisher weniger akkommodierende Massnahmen
getroffen hat als die Fed und/oder die BoE, verbleiben die Inflationserwartungen
in Europa auf kurze Sicht flach, während die für die lange Sicht fallen.
Deswegen ist es für die realen Zinsen schwer, ins Negative zu
fallen. Die EZB war nämlich in der Vergangenheit tendenziell weniger accommodative als die Fed und die Bank
of Englang (BoE).
Doch die langfristigen realen Zinsen, die mit einem stabilen
Wachstum und einer stabilen Inflationsrate im Einklang stehen, entsprechen der
langfristigen Wachstumsrate der Wirtschaft.
Das alles deutet darauf hin, dass die EZB hinter der Kurve ist und die Geldpolitik später als die Fed und die BoE „normalisieren“
dürfte.
Zinsstrukturkurve am Rentenmarkt, Graph: Morgan Stanley
Der Terminkurs für 1 Jahr (im Euro-Raum,
in Grossbritannien und in den USA) reflektiert die risiko-neutralen Erwartungen
im Markt für den weiteren Pfad der akkommodierenden Geldpolitik.
M.a..W. geht es bei der Abbildung um den
Zusammenhang zwischen Zinssätzen und
Laufzeiten von Null-Kuponanleihen (ohne Kreditausfallrisiko)
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