Die Geringverdiener, die schwer zu organisieren sind, werden am einfachsten ignoriert. Der Mindestlohn, der in den USA derzeit 7,25$ pro Stunde beträgt, ist zwar um die Inflation bereinigt etwas höher als vor zehn Jahren, aber er liegt immer noch tiefer als der Spitzenwert aus dem Jahr 1968, was in $ von heute 10,70$ pro Stunde entspricht. Das ist die Armutsgrenze.
Die Niedriglohnbezieher haben in
den USA kürzlich die Arbeit niedergelegt. Die Beschwerden sind einfach
begründet: niedrige Löhne, wenige Sozialleistungen (wenn überhaupt) und kaum Vollzeitbeschäftigung.
Die meiste Arbeit im Fast-Food Geschäft
und im Einzelhandel ist Teilzeitarbeit (part
time). Der schwache Arbeitsmarkt hat unterdessen dazu geführt, dass die
Verhandlungsstärke der Niedriglohn-Arbeitskräfte dahin geschmolzen ist: Das
Einkommen der Arbeitnehmer ist zwischen 2009 und 2012 deutlich gesunken, wie James Surowiecki in einem lesenswerten
Artikel („The pay is too damn low“)
in The New Yorker berichtet.
Es ist ein grosses politisches
Problem. Die Jobs im Niedriglohnsektor wurden ursprünglich von jungen Menschen
oder Frauen, die Teilzeitjobs suchten, getätigt, um das Familieneinkommen zu
verbessern. Walmart hat früher
explizit unterbeschäftigte verheiratete Frauen als Mitarbeiter angestellt. Die
Fast-Food Belegschaft ist jedoch mittlerweile von Teenagers dominiert, weil es
der US-Wirtschaft nicht gelingt, gute Mittelklasse-Arbeitsplätze zu schaffen: 5
von 6 schnellsten wachsenden Jobs-Kategorien zahlen heute weniger als der
Median Lohn, wie Surowiecki darlegt.
Die Arbeitskräfte im
Niedriglohn-Sektor sind heute älter und besser ausgebildet als je zuvor. Viele
von ihnen sind darauf angewiesen, nicht als Nebeneinkommen, sondern als
Unterstützung der Familien. Vor 40 Jahren gab es keine Erwartung, dass die Jobs
im Fast Food Sektor oder im Discount-Einzelhandel einen existenzsicherenden
Lohn (living wage) bieten würden, weil
es sich nicht um Jobs handelte, die von erwachsenen Menschen angestrebt wurden.
Heute versorgen damit 46% der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor ihre Familien.
Das ist der Wandel, weshalb die Geringverdiener in den USA heute auf die
Strasse gehen, um Lohnerhöhungen zu fordern.
Die Situation ist das Ergebnis
einer tektonischen Verschiebung in der amerikanischen Wirtschaft, schildert Surowiecki
weiter. Im Jahre 1960 war General Motors
der grösste Arbeitgeber des Landes: das profitabelste Unternehmer und eines der
best bezahltenden Konzerne Amerikas.
Heute sind die grössten Arbeitgeber Einzelhändler und Fast-Food Ketten,
wobei es wichtig ist, zu betonen, dass das Businessmodell auf Niedriglohn
basiert. Die Löhne werden gedrückt und die Gewerkschaften werden fern gehalten.
Sie machen viel Geld, aber die
meisten haben dünne Gewinnmargen. Walmart
und Target verdienen 3 bis 4 Cents
pro US-Dollar. Ein typisches McDonalds Franchise-Restaurant verdient rund 6
Cents pro US-Dollar vor Steuern, wie eine Anayse von Janney Capital Markets festhält.
In der Tat machen die
kombinierten Gewinne von allen grossen Einzelhändlern, Restaurant-Ketten und
Supermärkte, die von Fortune 500
erfasst werden, weniger aus als der Gewinn von Apple allein. Doch Apple beschäftigt gerade 76'000 Menschen,während
alle Einzelhändler, Supermärkte und Restaurant-Ketten 5,6 Millionen Menschen
eine Arbeit geben.
Die grausame Wahrheit dieser
Zahlen ist, dass niedrige Löhne ein grosser Teil dessen sind, warum diese
Unternehmen profitabel bleiben und gleichzeitig niedrige Preise bieten. Der
US-Kongress hat einen Gesetzentwurf zur Erhöhung des Mindestlohnes auf 10,10$
eingereicht. Es würde für die Arbeitnehmer einen wesentlichen Unterschied
ausmachen. Die betroffenen Unternehmen müssten aber wahrscheinlich die Preise
erhöhen. Werden die Verbraucher nach Jahrzehnten nun plötzlich höhere Preise
akzeptieren?
Realistisch betrachtet kann ein
höherer Mindestlohn nur ein Teil der Lösung sein. Wir müssen auch die
Steuergutschrift für Erwerbseinkommen erhöhen und die soziale Versicherung einschliesslich
Kinderbetreuung und Gesundheitsversorgung stärken, fasst Surowiecki als Fazit
zusammen.
Fast Food Jobs sind in
Deutschland und den Niederlanden sind nicht besser bezahlt als in den USA. Aber
hier ist das soziale Netz stärker, was dafür sorgt, dass die Arbeitnehmer
besser aufgehoben sind. Wie Jared
Bernstein sagt, sind eine starke Wirtschaft und ein fester Arbeitsplatz die
besten Freunde der Beschäftigten im Niedriglohn-Sektor. Es reicht nicht aus,
die schlechten Jobs besser zu gestalten. Wir müssen bessere Arbeitsplätze schaffen.
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