Die statistischen Mitarbeiter der Bureau of Economic Analysis (BEA) sorgen in diesen Tage für Schlagzeilen auf beiden Seiten des Atlantiks. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) der USA erhöht sich nach einer neuen Berechnung um 560 Mrd. US-Dollar. Damit erreicht die Wirtschaft mit einem Schlag einen Wert von 16‘600 Mrd. $. Der Zuwachs entspricht etwa dem Beitrag von New Jersey zur Wirtschaftsleistung des Landes in einem Jahr.
Jared Bernstein und Dean
Baker befassen sich vor diesem Hintergrund in einem lesenswerten Artikel („What is Seinfeld worth?“) in NYTimes mit der Frage, was im Hinblick auf die
Wirtschaftsleistung als Wert und Kosten zu betrachten ist und was weggelassen
werden kann. Eine weitere Frage, die die Autoren aufwerfen, ist, was die ganze
neue Berechnung für die normalen Menschen bedeutet.
Die einschlägigen Veränderungen sind
im Grunde genommen ziemlich einfach. Bisher galt, dass die Regierung den Kauf
einer Bohrmaschine durch eine Fabrik als Investition betrachtet hat; eine
Investition, die Einkommen im Verlauf der Zeit generiert und abgeschrieben
wird, bis die Wertschöpfung auf null sinkt.
Wie behandelt man aber z.B.
Filmgesellschaften oder TV-Studios, die dauerhafte Hits wie „Star Wars“ oder „Seinfeld“
herstellen, wodurch auch Einkommen geschaffen wird? In diesem Sinne ist ihre Produktion wie eine
Kapitalanlage, die aber bislang in der Berechnung der gesamtwirtschaftlichen
Leistung nicht berücksichtigt wurde.
Die US-Statistiker werden von
jetzt an auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) und für die
Herstellung von immateriellen Gütern (wie z.B. Filme, TV-Serien usw)
kapitalisieren. Solche Aufwendungen wurden bisher als Vorleistungen angesehen und von der Produktion
abgezogen.
Es gibt nun also eine neue
Kategorie „geistiges Eigentum“ (intellectual
property products). Die Herstellungskosten für die von BEA als „langlebige
TV-Show“ beschriebene Fernsehen-Serien wie z.B. „Seinfeld“ zum ersten Mal als
Investition gezählt.
Die Logik mag hierbei solide
sein: man verbringt ein paar Stunden auf Netflix und konsumiert glücklich etwas,
was das Ergebnis einer erheblichen F&E Streaming-Technologie ist. Dennoch
kommt alles etwas matschig vor, weil es irgendwie so ist. Das
Pro-Kopf-Einkommen steigt damit in Amerika um 1‘800$, aber natürlich nur auf
dem Papier. Das Gehalt der Menschen bleibt unverändert.
Bernstein und Baker deuten v.a.
auf erhebliche Probleme in Bezug auf die neue Berechnung der
Wirtschaftsleistung hin. Was ist „geistiges Eigentum“, was ist nicht?
Wenn man sich auf YouTube stundenlang kostenlose Videos
ansieht, zählt es nicht als Investition. Ein weiterer Ring ist um den Begriff „Wertschöpfung“
(added value) zu ziehen,
unterstreichen Bernstein und Baker. Journalismus
wird z.B. ausgelassen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass die kommenden
Generationen den zitierten Artikel der Autoren in NYTimes als lesenswert
erachten würden, wird es nicht als Investition berechnet. Aber auch Blogs werden nicht als Investition
gezählt, obwohl viele Menschen viele Zeit damit verbringen, die einzelnen
Einträge zu lesen.
Der vielleicht willkürlichste
Teil der BIP-Revision ist, wie mit Kosten umgegangen wird. Ein gravierender
Mangel der Berechnung ist das Versäumnis, die Umweltzerstörung nicht mit zu
berücksichtigen. Wenn z.B. mit Hydraulic Fracturing (fracking) Erdgas gefördert wird, wird im Prozess auch das Grundwasser
verschmutzt. Es gibt aber keine Subtraktion für das dabei verschmutzte
Grundwasser oder das Treibhausgas, das emittiert wird, wenn das Gas verbrennt.
Die statistische Änderung erhöht
das BIP, aber die Verschuldung bleibt davon unberührt. Die Schuldenstandquote
aber sinkt. Bekommen die politischen Entscheidungsträger dadurch etwas mehr
Spielraum, um gegen die Arbeitslosigkeit etwas mehr zu unternehmen? Wohl kaum.
PS:
Jared Bernstein war der Wirtschaftsberater von Joe Biden, dem Vizepräsidenten
von 2009 bis 2011. Dean Baker ist Direktor des
Centers for Economic Policy Research.
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