Montag, 26. August 2013

Frankreich und Wettbewerbsfähigkeit in Europa

Das Wachstum in Europa ist seit sechs Quartalen rückgängig. Philipp Hildebrand schreibt in einem Artikel („Die Kosten eines Nichtbeitritts zur EU könnten zu hoch werden“) in der SonntagsZeitung, dass Europa an einem Scheideweg steht, an dem es sich letztlich für oder gegen die weitere Integration entscheiden muss. Der ehemalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) deutet auf „enorme Herausforderungen in Europa“ hin.

Was mir gefällt, ist, dass Hildebrand das Argument der Bankenlobby im Hinblick auf die erhöhten Eigenkapitalanforderungen in einer klaren Art und Weise zurückweist. Die Banken vertreten nämlich den Standpunkt, dass die Erhöhung des Eigenkapitals ihre Kreditvergabe einschränke.

Hildebrand sagt, dass diese Sichtweise „analytisch wie auch empirisch falsch“ ist. Die Banken mit robusten Bilanzen haben in den Krisenjahren 2007 und 2008 laut IWF ihre Kreditvergabe weniger stark reduziert als bilanziell schwächere Institute. Die Schlussfolgerung ist also, dass „Banken, die nicht über genügend Kapital verfügen, weniger Kredite vergeben“. Europa muss daher sicherstellen, dass alle Banken angemessen kapitalisiert sind.

Was mir nicht gefällt, ist das „France Bashing“ durch Hildebrand: „Im Verlauf der letzten zehn Jahre haben sich Deutschland und Frankreich immer mehr auseinander entwickelt“. Frankreich muss deshalb dringend Strukturreformen in die Wege leiten, seine Staatsquote  verringern und die Arbeitskosten senken.  Mit anderen Worten muss Frankreich gegenüber Deutschland aufholen, so Hildebrand. Frankreich soll demnach billiger und effizienter werden.


Frankreich: BIP und Komponente, Graph: Morgan Stanley

Bei allem Respekt erweist sich diese Aussage makroökonomisch als abwegig. Die Veränderung der Wettbewerbsfähigkeit lässt sich an der Entwicklung der Nominallöhne erkennen.

Die Produktivität ist in Frankreich gemessen am ausbezahlten Lohn pro Stunde stärker gestiegen als in Deutschland. Warum soll Frankreich die Staatsquote reduzieren, wenn die Produktivität des Landes darunter nicht leidet?

Frankreich muss ferner nicht gegenüber Deutschland aufholen. Falls das geschehen würde, wäre das Ergebnis eine schwere Deflation in der Eurozone. Die Kerninflation befindet sich auf dem absteigenden Ast. Frankreich soll wettbewerbsfähig werden. OK. Wie soll aber die Konjunktur belebt werden, wenn die Verbraucher weniger Geld in der Tasche haben, wenn also die Arbeitskosten (sprich Löhne) gesenkt werden?

Die Frage ist: Warum haben sich aber Deutschland und Frankreich im Verlauf der letzten zehn Jahre haben immer mehr auseinander entwickelt? Weil das eine Land (mit Leistungsbilanzüberschuss) die anderen Länder (einschliesslich Frankreich) gegen die Wand gefahren hat.

Deutschland hat das gemeinsam festgelegte Inflationsziel in der EWU durch Lohndumping ständig unterboten. In Frankreich hingegen ist das Preisniveau im Einklang mit dem durch die EWU angegebene Inflationsziel gestiegen. Frankreich hat sich an die Regeln in einer Währungsunion gehalten. Deutschland nicht. Wie kann die Wettbewerbslücke geschlossen werden?

PS: Die neoliberale Agenda hat in den vergangenen Monaten einige heftige Kritik an Frankreichs Wirtschafts- und  Industriepolitik geübt, wie z.B. das Handelsblatt darauf hindeutet. Aber auch Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank hat von Frankreich in einem Interview  einen härteren Sparkurs gefordert.


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