Die Verfechter der Modern Monetary Theorie (MMT) liefen am Wochenende im Twitter (aber auch in der Blogosphäre) Sturm gegen Paul Krugman, wie Michael Gunczy bemerkt.
Warum? Weil Krugman einen kurzen,
aber interessanten Eintrag in seinem Blog veröffentlicht hat, und zwar mit
dem Titel commercial banks as creator of „money“. Na, siehst du, Krugman gibt
endlich zu, dass die Banken Geld schöpfen, schrien die Anhänger von Minsky. Es
hat so ausgesehen, als ob Austerians und MMT-Anhänger an einem Strang ziehen
würden.
Was stimmt hier nicht? Auch in
Krugmans Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre steht, dass die Banken Geld schöpfen
können. Der an der University of
Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor bemerkt aber, dass viele
Kommentatoren den Unterschied zwischen der Vorstellung, dass
die Banken Geld schöpfen (was ja mit
Multiplikatoren zu tun hat) und und der Vorstellung, dass
die Banken durch die
Notenbankgeldmenge nicht daran gehindert werden, Geld zu schöpfen,
nicht begreifen.
Krugmans Widersacher vertreten hingegen
die Ansicht, dass die Banken aus dem Nichts Geld schöpfen können. Und sie
weisen die Aussage, dass die Kreditvergabe der Banken durch die Einlagen der
Kunden eingeschränkt ist, vehement zurück. Und sie bestehen weiter darauf, dass
die Notenbankgeldmenge (monetary base) dabei eine wichtige Rolle
spielt.
Das ist alles falsch, legt
Krugman dar. Dazu später mehr.
Im Mittelpunkt steht die Frage,
ob der Banken-Sektor in Wirtschaftsmodellen berücksichtigt werden soll oder
nicht? Es geht im Grunde genommen um die Natur von Geschäftsbanken. Soll man
sie als „Finanzintermediäre“ in die
Wirtschaftsmodelle einbauen, z.B. wie Investment Fonds oder
Versicherungsgesellschaften, oder handelt es sich dabei um etwas anderes, d.h.
etwas Besonderes, wegen ihrer Fähigkeit, Schuldtitel zu begeben?
Steve Randy Waldman fasst die Fragestellung in seinem Blog wie folgt zusammen: (1) Wenn Banken nur Vermittler (intermediaries)
zwischen Sparer und Kreditnehmer sind, kann es sinnvoll sein, sie aus den
makroökonomischen Modellen fernzuhalten und sich einfach auf die Präferenzen
von Kreditnehmern und Sparern zu konzentrieren, und Augenmerk auf den
Preismechanismus (d.h. Zinsen) zu richten, der ja die Präferenzen in Einklang
bringt, vielleicht mit „Reibungen“ (frictions).
(2) Wenn Banken aber etwas Besonderes sind, und damit auf die Makroökonomie Einfluss nehmen, sodass
die „institutionellen Merkmale“ durch die Präferenzen von Kreditnehmern und
Kreditgebern nicht erfasst werden, dann kann es sein, dass es wichtig ist, die
Dynamik des Bankensektors in den Wirtschaftsmodellen explizit zu
berücksichtigen.
Krugman sagt, dass die Banken
nichts Besonderes sind. Die Gesetze von Angebot und Nachfrage gelten auch für
sie. Die Banken vermitteln zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber. Und die Zinsen
(der Preis des Geldes) werden durch das Liquiditätspräferenz-Modell
(liquidity preference) und das Modell des Kreditmarktes (loanable funds) bestimmt.
Krugman vertritt die Ansicht,
dass jede einzelne Bank das Geld, welches sie als Einlagen durch die Kunden
bekommt, als Kredit weiter verleihen muss. Die Mitarbeiter der Kredit-Abteilung
können nicht einfach aus dem Nichts Kredit schaffen. Das heisst, dass sie nicht
einfach das Scheckbuch holen und damit Kredit vergeben können. Die Bank muss
mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, Vermögenswerte kaufen.
Die Contra-Meinung lautet, dass das
für jede einzelne Bank zustimmen mag. Aber das Geld, das die Banken als Kredit
verleihen, schiesslich als Einlage bei anderen Banken lande, sodass es für die
Kreditvergabe keine Einschränkungen gebe. Schlussfolgerung: Es gibt durch die
Reserve-Pflicht keine Einschränkung, was das Potenzial der Banken in Bezug auf
die Kreditvergabe betrifft.
Stimmt es? Nein, antwortet
Krugman.
Ja, ein Darlehen mag i.d.R. in
einer anderen Bank als Einlage landen. Aber der Empfänger des Darlehens kann,
was ja manchmal durchaus vorkommt, das Geld sofort abheben, nicht als Scheck,
sondern als Zahlungsmittel (currency).
Und das Zahlungsmittel (Geldumlauf) ist bekanntlich, was das Angebot betrifft,
limitiert, und zwar durch die Politik der US-Notenbank. Es gibt also laut
Krugman keinen automatischen Prozess, wodurch ein Anstieg der Kreditvergabe der
Banken einen ausreichenden Anstieg der Einlagen auslöst, um damit diese Darlehen
zu decken. Ein entscheidender, limitierender Faktor im Hinblick auf die Grösse
der Bankbilanzen ist der Betrag der Notenbankgeldmenge (monetary base), die von
der Fed erzeugt wird, auch wenn die Banken keine Reserven halten.
Wie viel Zahlungsmittel die
Menschen halten wollen, hat mit ihrem Einkommen, Preisen und Zinssätzen zu tun.
Das heisst, dass man sich nun wieder in der gewöhnlichen Volkswirtschaft wieder
findet, woraus wiederum folgt, dass die Banken uns nicht in ein alternatives Volkswirtschaftsuniversum führen. Die Banken sind zwar kluge, aber gefährliche
Form von Finanzintermediären, wie Krugman beschreibt, die das Gesetz der
grossen Zahlen brechen, um ein besseres Trade-off
zwischen Liquidität und Ertrag anzubieten. Das geschieht aber via Hebelwirkung
(leverage) und Risiken für den Rest
der Gesellschaft. Das heisst, dass die Banken die zentralen Akteure in
Finanzkrisen sind. Aber das ist von quantitativer, nicht von qualitatitiver
Bedeutung. Die Banken schöpfen keine Nachfrage aus dem Nichts: sie vermitteln
zwischen Sparern und Kreditnehmern.
PS: Unter den
gegenwärtigen Bedingungen, das heisst, wenn die Wirtschaft in einer
Liquiditätsfalle steckt, spielt die Notenbankgeldmenge keine Rolle, weil die Anleger indifferent sind, ob sie zu fast null Zinsen Staatspapiere kaufen, oder das Geld als Cash behalten.
PPS: Steven Keen hat bereits vor einem Jahr sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass Krugman in seiner
Forschungsarbeit den Erklärungsansatz von Minsky nicht berücksichtigt. Doch, Krugman tut es eigentlich.
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