Detroit ist ein Symbol des Verfalls der alten Wirtschaft. Atlanta hingegen verkörpert den Aufstieg von Sun Belt (Anm. d. Red. Sonnengürtel: Region der USA zwischen Florida und Südkalifornien), schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Stranded by Sprawl“) am Montag in NYTimes.
Doch in einem wichtigen Punkt
sieht die boomende Atlanta genauso wie die pleite gegangene Detroit aus: es sind Orte, wo die Kinder der Armen grosse
Schwierigkeiten haben, auf der Leiter der Wirtschaft zu klettern. In der Tat
ist die soziale Mobilität in Atlanta sogar niedriger als in Detroit. Und sie
ist in beiden Städten niedriger als z.B. in Boston oder San Francisco, auch
wenn diese Städte deutlich langsamer gewachsen sind als Atlanta, beschreibt der
Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008).
Was ist also los mit Atlanta?
Eine neue Studie („The Equality of Opportunity
Project“) deutet darauf hin, dass die Stadt zu „unstrukturiert gewachsen“ (spread-out) ist. Atlanta ist der „Sultan
von Sprawl“ (Zersiedlung), viel mehr ausgebreitet als andere grosse Städte von
Sun Belt. Damit ist ein wirksames öffentliches Verkehrsnetz fast unmöglich zu
bewerkstelligen. Als Ergebnis finden sich benachteiligte Arbeitnehmer oft
verlassen und hilflos. Es mag irgendwo möglicherweise Jobs geben. Aber sie
können dorthin buchstäblich nicht gelangen, legt Krugman dar.
Die scheinbar inverse Beziehung
zwischen Zersiedlung und der sozialen Mobilität verstärkt offensichtlich den
Fall für ein „intelligentes Wachstum“ in urbanen Strategien. Aber es trägt auch
eine lang anhaltende grosse Debatte darüber, was mit der amerikanischen
Gesellschaft geschieht. Ja, er sei nicht die einzige Person, die die neue
Studie liest und sofort an „William Julius Wilson“ denkt, so Krugman.
Zersiedlung versus soziale
Mobilität, Graph: Prof. Paul Krugman
Vor einem Vierteljahrhundert hat Mr. Wilson, ein angesehener Soziologe argumentiert, dass die
Nachkriegs-Entwicklung der Beschäftigung von Innenstädten in die Vororte Afro-amerikanischen
Familien einen schweren Schlag versetzt hat, durch die Beseitigung von
ökonomischen Chancen, gerade dann, als die Bürgerrechtsbewegung die explizite
Diskriminierung abgeschafft hatte.
Und Wilson argumentiert weiter,
dass soziale Phänomene wie die Prävalenz von alleinerziehenden Müttern, die oft
als Ursache für die nachhinkende Performance der schwarzen Familien zitiert
wird, die tatsächlichen Effekte waren. Das Wesen Familie wurde durch das Fehlen
von guten Jobs untergraben.
In diesen Tagen wirken auch traditionelle
Familien unter working-class Weissen viel
schwächer. Warum? Die neue Forschung über soziale Mobilität legt nahe, dass die
Zersiedlung auch eine Rolle spielt, nicht nur die Fortbewegung der
Arbeitsplätze aus der Stadt, sondern auch, dass sie ausserhalb der Reichweite
der vielen weniger wohlhabenden Bewohner der Vorstädte geraten.
Krugmans Beobachtung bestärkt
deutlich den Fall für eine Politik zu Gunsten von Familien ohne Autos. Aber man
muss das Ganze auch im grossen Kontext einer Nation sehen, die ihren Weg
verloren hat, die Chancengleichheit predigt, aber immer weniger Chancen für
diejenigen bietet, die es am meisten benötigen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen