Der Einschätzung der Europäischen Kommission nach beträgt Spaniens Produktionslücke (output gap) 4,6% des BIP.
Kann es sein? Die
Arbeitslosigkeit beläuft sich auf 26.9%. Doch findet die gegenwärtige Methodik der EU, dass die Produktionslücke
in Europa im Allgemeinen relativ gering ist. Die Kommission der EU geht davon
aus, dass die natürliche
Arbeitslosigkeit (*) in Spanien 23% beträgt. Das hört sich absurd an. Weil
es bedeuten würde, dass Spanien, wenn die Arbeitslosigkeit von 27% auf 23%
zurück fiele, Vollbeschäftigung hätte. Das kann doch nicht wahr sein. Zum Glück
hat Spanien immer wieder Zweifel an der EU-Methodik in Sachen Haushaltspolitik
geäussert.
Nun sieht es so aus, wie WSJ in einem lesenswerten Artikel („Europe’s Austerity Hangs in Budget’s Balance“)
berichtet, als ob die EU über eine Änderung der Budget-Politik nachdenken würde.
Es ist zu erwarten, dass daraus eine Auflockerung der harschen
Austeritätspolitik folgt.
Paul Krugman schreibt in seinem Blog dazu, dass die EU nun einsehe, dass
das Produktionspotenzial (potential
output) in Schuldner-Ländern bislang unterbewertet und die natürliche
Arbeitslosigkeit überschätzt wurde. Deshalb ist das Ausmass der aufgezwungenen Fiscal
Austerity insgesamt unterschätzt worden.
Brüssel hat jetzt in Reaktion auf
die Kritik eine Output Gap Working Group
gebildet, um die Defizitregelung der EU zu überprüfen.
Aufschwung, nicht der Abschwung
ist der richtige Zeitpunkt für Sparmassnahmen. In der EU gilt aber bisher genau
das Gegenteil, was dazu führt, dass sich Restriktionen im Hinblick auf den
Haushalt ergeben, wenn die Wirtschaft zur Schwäche neigt.
Spaniens strukturelles Defizit, Graph: WSJ, July 4, 2013
Das Haushaltsdefizit wird in Europa
in eine strukturelle und in eine zyklische Komponente zerlegt. Die strenge
Anwendung des 3%-Kriteriums des Stabilitäts- und Wachstumspakts unterscheidet m.a.W.
zwischen zyklischen und strukturellen Komponenten.
Die zyklische Komponente verschwindet, wenn die Wirtschaft sich erholt.
Die strukturelle Komponente wird mit
Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen bekämpft. Strukturelle Defizite sind
i.d.R. geringer als zyklische Defizite, weil, wenn die Wirtschaft wächst, die
Steuereinnahmen steigen und die Ausgaben für Arbeitslosigkeit und andere
Programme für soziale Sicherheit abnehmen.
Die Frage ist aber, wie viel des
europäischen Haushaltsdefizits strukturell und wie viel das Ergebnis der
schwachen konjunkturellen Entwicklung ist? Brüssel vertritt die Ansicht, dass
das Haushaltsdefizit gegenwärtig fast gänzlich strukturell ist, was natürlich
die harsche Austeritätspolitik rechtfertigt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass
die EU das Augenmerk im Allgemeinen irgendwie gerne nach dem strukturellen
Defizit richtet. Die Output Gap Working Group soll jetzt
herausfinden, wie die Produktionslücke adäquat gemessen werden kann.
Die Produktionslücke (output gap) gibt die Differenz zwischen
Produktionspotenzial und tatsächlicher Produktion an. Das strukturelle Defizit ergibt sich aus dem aktuellen Haushaltsdefizit
minus Produktionslücke (output gap). Die Produktionslücke ist
also eine wichtige Komponente des strukturellen Defizits.
Fazit: Es steht fest, dass
die aktuelle Methodik der EU zu perversen Ergebnissen führt: Das strukturelle
Defizit erscheint grösser als sonst, was mehr Austerität erfordert. Die
natürliche Arbeitslosigkeit wird erhöht. Die Produktionslücke erscheint
niedrig, was wiederum ein höheres Niveau vom strukturellen Defizit erzeugt. Folglich
werden noch mehr Ausgabenkürzungen verlangt. Und so weiter, und so weiter. Die Output Gap Working Group will sich im
September zusammentreffen, um über die Methodik in Bezug auf die Bemessung der natürlichen
Arbeitslosigkeit und der Produktionslücke zu beraten.
(*) Mit der natürlichen
Arbeitslosigkeit ist die nicht-konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit gemeint.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen