Die Eurozone steckt in Rezession. Die Austerität funktioniert nicht. Der Neoliberalismus ist gescheitert. Die Inflation ist niedrig. Und die Risikoaufschläge der Staatsanleihen der EU-Länder an der Peripherie weitet sich gegenüber deutschen Bundesanleihen wieder aus. Es droht Rückfall in Nationalismus.
Die EZB hat am 4. Juli zum Ersten
Mal in der fast 15-jährigen Geschichte mitgeteilt, die Zinsen für einen
ausgedehnten Zeitraum niedrig zu halten. Unabhängig davon, was „ausgedehnt“
konkret bedeutet, handelt es sich dabei um die Ankündigung von Forward Guidance. Genau wie Ben
Bernanke, der US-Notenbankpräsident bedient sich nun auch Mario Draghi, der
EZB-Präsident eines kommunikativen Mittels, die Geldpolitik zu steuern, während
die Wirtschaft schwer angeschlagen ist.
Würde Draghi die Forward Guidance mit Angabe eines bestimmten Termins und/oder Schwellenwertes
konkretisieren, würde es helfen, die Erwartungen in Bezug auf niedrige Zinsen
adäquat zu verankern. Das einzigartige Mandat der EZB für die Preisstabilität
dürfte jedoch dabei ein Hindernis darstellen, zumal das deutsche
Verfassungsgericht das OMT-Programm im September abwerten könnte. Dennoch
stehen der EZB drei Instrumente zur Verfügung, monetäre Rahmenbedingungen in
der Eurozone zu entspannen, berichten Evan Brown und Calvin Tse von Morgan Stanley in einer am Freitag vorgelegten
Forschungsarbeit.
(1) Konventionelle Geldpolitik:
Die EZB könnte die Zinsen (konkret: den Refi-Satz) weiter senken. Draghi hat
kürzlich gesagt, dass die EZB operationell bereit sei, negative Zinsen auf
Einlagen einzuführen. Der Satz für die Einlagefazilität, den die Banken
erhalten, wenn sie überschüssiges Geld bei der EZB parken, unter die Null-Marke
fallen. Eine „doppelte-Zinssenkung“ könnte den EONIA-Satz senken und die
Refinanzierungskosten in Interbankengeschäften verbilligen.
EONIA 1y/1y, Graph: Evan Brown and Calvin Tse, Morgan Stanley
(2) Weitere Einspritzung von Liquidität: Die EZB
könnte die Zinsen senken und mit einer neuen Runde von LTRO weitere
Überschussliquidität in das Finanzsystem pumpen, um die Angst vor einer potenziellen
passiven Straffung des geldpolitischen Kurses zu besänftigen, weil die
Überschussliquidität ja wegen der Rückzahlung der vorhergegangenen LTRO
abnimmt. Die weitere Liquidität könnte auch für den Kauf von ausländischen
Vermögenswerten eingesetzt werden. Die SNB macht es vor. Die Schweizerische Nationalbank hat im eigenen Portfolio den
Anteil an Aktien auf 15% erhöht.
(3) Unkonventionelle Geldpolitik mit neuen Instrumenten:
Die EZB müsste über neue Instrumente nachdenken, um die Störung der
geldpolitischen Transmission zu beenden. Mario Draghi muss herausfinden, mit welchen geldpolitischen Instrumenten diese Störung
behoben werden könnte. Die strikte Einhaltung des EZB-Mandats zur
Gewährleistung von Preisstabilität ist jedoch ein Erschwernis. Dazu kommt, wie
oben erwähnt, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht demnächst die Voraussetzungen
für die geldpolitischen Outright-Geschäfte zusätzlich erschweren kann, mit dem
Hinweis darauf, dass es sich dabei um eine versteckte Staatsfinanzierung
handelt. Der Einsatz von neuen unkonventionellen geldpolitischen Instrumenten
ist zur Zeit daher ziemlich unsicher.
Die EZB hat jedoch eine Menge Optionen, die Geldpolitik weiter zu lockern. Um die Erwartungen in
Hinblick auf die Realzinsen zu stützen, braucht die EZB aber eine offensive Forward
Guidance, z.B. mit spezifischen Daten und Schwellenwerten. Warum spricht die
EZB aber darüber so offen wie die SNB? Welches Dogma schränkt die Flexibilität ein? In aussergewöhnlichen
Krisenzeiten sind aussergewöhnliche Massnahmen erforderlich. Mit Austerität lässt sich kein Wirtschaftswachstum wiederherstellen.
1 Kommentar:
Es gibt doch genug Werte:
60% public debt reatio
3% Haushaltsdefizit
2% Inflations-Target
Noch mehr Schwellenwerte? Das kann nur ein ganzer Komplex von (volkswirtschaftlichen) Kennzahlen sein, die für jedes einzelne Euroland und den Euroraum gesamt erreicht werden müssten, aus meiner Sicht kaum überschau- und erst recht nicht handhabbar.
Da die SNB im Wesentlichen nur gegenüber dem Euro (60% der Aussenhandelsbeziehung) stabilisierend eingreifen muss, eine dagegen eindimensionale und vergleichsweise einfache Angelegenheit!
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