Sonntag, 12. Dezember 2010

Verdecktes Derivate-Trading

„Am dritten Mittwoch eines jeden Monats treffen sich die neun Mitglieder der Elite der Wall Street in Midtown Manhatten zusammen. Die Männer teilen ein gemeinsames Ziel: Die Interessen der grossen Banken im riesigen Markt für Derivate zu schützen, eines der profitabelsten und kontroversesten Felder des Finanzsektors. Sie haben auch ein gemeinsamen Geheimnis: Die Einzelheiten ihrer Sitzungen, auch ihrer Identität werden streng vertraulich behandelt. Gezeichnet von Giganten wie JP Morgan Chase, Goldman Sachs und Morgan Stanley  bilden die Banker ein mächtiges Komitee, welches den Handel mit Derivaten, Instrumenten wie Versicherungen, die verwendet werden, um Risiken abzusichern, überwacht“, beschreibt Louise Story  in einem lesenswerten Essay NYT (Sonntagsausgabe) die Existenz einer Gruppe, die sich vorgenommen hat, in Theorie die Integrität eines multitrillionen-Dollar-Marktes zu sichern. In Praxis geht es aber um die Verteidigung der Dominanz der Grossbanken.


Bank’s Money-Making Machine, Graph: Louise Story, NYT

Die Banken in dieser Gruppe, die mit der neuen Verrechnungsstelle (clearinghouse) für Derivate verbunden sind, kämpfen dagegen, anderen Banken den Zugang zum Markt zu verhindern. Und sie versuchen, die Bemühungen, um vollständige Informationen über Preise und Gebühren frei verfügbar zu machen, zu vereiteln.

Derivative sind ein grosses Geschäft an der Wall Street. Banken sammeln mit diesen Instrumenten jährlich viele Milliarden Dollar an verdeckten Gebühren: eine Summe, die sicherlich weniger betragen würde, wenn es mehr Wettbewerb und Preistransparenz gäbe. Wie viel ein Handel mit Derivativen normale Amerikaner kostet, ist ungewiss. Die Grösse und Reichweite dieses Marktes sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten rasch gewachsen. Pensionskassen nutzen Derivate, um Investitionen abzusichern. Bundesstaaten und Kommunen benutzen sie, um die Fremdkapitalkosten niedrig zu halten. Fluggesellschaften nutzen sie, um stetige Kraftstoffpreise zu sichern. Lebensmittelunternehmen nutzen sie, um die Preise von Rohstoffen wie Weizen oder Rindfleisch zu sichern.

Der Markt, wie er jetzt funktioniert, verursacht höhere Kosten für alle Amerikaner, sagt Gary Gensler, der Vorsitzende der Commodity Futures Trading Commission (CFTC). Mehr Aufsicht über die Banken in diesem Markt ist nötig, fügt Gensler hinzu. Aber die Grossbanken nehmen starken Einfluss auf die Regulierung für die Derivate durch eine Vielzahl von Industrie-Gruppen, argumentiert Story weiter. Die neueste Nummer der Einflussnahme der Banken sind die Clearing-Stellen wie ICE Trust, wo monatlich Sitzungen mit neun Banken in New York abgehalten werden.

Unter der Dodd-Frank-Finanzmarkt-Reform müssen viele Derivate über solche Clearing-Stellen gehandelt werden. Gensler will den Einfluss der Banken auf die neuen Institutionen verringern. Aber republikanische Gesetzgeber, welche viele grosse Wahlkampfspenden von den Banken bekommen haben, sagen, dass sie einen grossen Teil der kommenden Reform zurückzudrängen planen. Am Donnerstag hat die Kommission eine Abstimmung über einen Vorschlag, der darauf abzielt, die Preise transparenter zu gestalten, annuliert, was die Spekulationen nährt, dass Gensler von seinen Kollegen in der Kommission nicht viel Unterstützung bekommt. Auch das amerikanische Justizministerium beschäftigt sich mit Derivaten. Die Kartellrecht-Abteilung untersucht aktiv die Möglichkeit wettbewerbswidriger Praktiken der Kreditderivate in Clearing-, Trading- und Informationsservice-Branchen. Der Derivate-Markt von heute erinnert heute einige Experten an die Technologie-Börse Nasdaq in den 1990er Jahren, bemerkt Story. Das US-Justizministerium hatte damals entdeckt, dass die Nasdaq-Market Maker heimlich Preisabsprachen vereinbart hatten, um eigene Gewinne zu schützen. Nach diesem Skandal sorgen die Reformen und das elektronische Handelssystem dafür, dass der Aktien-Handel um 1/20 weniger als ihr früheres Niveau kostete, was enorme Ersparnisse für Investoren bedeutet. Die Abrechnungsstelle (clearinghouse) beinhaltet das Verfolgen von Transaktionen und bietet eine zentrale Stelle für die Ablage von Geldern, um die Einsätze (Wetten) der Investoren zu schützen.

Fazit: Das Grundübel ist das Shadow-Banking System (Schatten Bankensystem), wie  Barry Ritholtz festhält.

Seit der Trennung der Banken in Geschäfts- und Investmentbanken hat sich der Kreditschöpfungsprozess in das Schatten Bankensystem verlagert, wo Investmentbanken kaum klassische Bankaktivitäten, aber dafür mehr Casino-Aktivitäten betreiben. Die Kreditschöpfung kommt natürlich nicht produktiven Investitionen in der Realwirtschaft zugute. Das Schatten Bankensystem hat beispielsweise im zweiten Quartal 2007 im Vorfeld der Finanzkrise eine erstaunliche Summe an Krediten in Höhe von 6'000 Mrd. $ geschaffen, fast so hoch wie der Wert der Kredite im herkömmlichen Bankensystem.

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