„Das Rettungspaket für Irland ist eine Katastrophe“, schreibt Barry Eichengreen in einem lesenswerten Essay („Ireland’s rescue package: Disaster for Ireland, bad omen for the Eurozone“) in Voxeu. Die Europäische Kommission, die EZB und die deutsche Regierung lassen keine Gelegenheit aus, um alles noch schlimmer zu machen, fügt der an der University of California lehrende Wirtschaftsprofessor. Es schmerze ihn, das zu sagen, betont Eichengreen. Er sei wahrscheinlich „der pro-Euro-Ökonom schlechthin“ auf seiner Seite des Atlantiks. Nicht, weil er denke, dass die Euro-Zone die perfekte Währungsunion sei, sondern weil er immer gedacht habe, dass ein Europa der nationalen Währungen noch weniger stabil wäre. Er sei ein Anhänger des grossen europäischen Projektes. Aber angesichts des erbärmlichen Scheiterns der EU und der deutschen Leadership am vergangenen Wochenende werde er über seine Position nachdenken müssen.
„Das irische Programm löst genau nichts. Es schiebt mit Fusstritt die Dose vor sich her“, legt Eichengreen dar. Die öffentliche Verschuldung wird auf rund 130% des BIP klettern. Die Zinszahlungen, die die irische Regierung leisten muss, werden angesichts der 5,8%igen Verzinsung des internationalen Darlehens um keinen einzigen Cent gesenkt. Irland müsste rund 10% seines Volkseinkommens nach einem schmerzhaften Jahr als „Reparation“ an die Anleihegläubiger übertragen. Irland wird aufgefordert, Löhne und Kosten zu senken. Es muss also eine „interne Abwertung“ (internal devaluation) vornehmen, weil die herkömmliche Möglichkeit einer externen Abwertung nicht zur Verfügung steht, weil dem Land die eigene natinale Währung fehlt. Aber je erfolgreicher das Land die Löhne und die Kosten reduziert, desto schwieriger wird es, mit den Schulden umzugehen. Die öffentlichen Ausgaben müssen tiefer gekürzt werden. Die Steuern müssen erhöht werden, um die Schulden zu bedienen. Dies wiederum impliziert die Notwendigkeit für mehr interne Abwertung, was die Schulden in einem Teufelskreis noch mehr erhöht. Dieses Phänomen ist als „Debt Deflation“ bekannt, worüber Irving Fisher in einem berühmten Artikel am Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise (Great Depression) geschrieben hatte.
Was hätte also getan werden sollen? Damit eine interne Abwertung funktioniert, muss der Wert der Schulden reduziert werden. Das wäre im Fall von Irland besonders einfach gewesen, erklärt Eichengreen. Eine helle rote Linie hätte gezogen werden können zwischen dem Drittel der Staatsschulden, welche für die Schulden der Banken bürgen, auf der einen Seite und dem Rest der Staatsschulden auf der anderen Seite, so Eichengreen.
Das Drittel vertritt die Schulden des irischen Bankensystems, was hätte umstrukturiert werden können.
Anleihegläubigern hätte 20 Cents auf einen Euro angeboten werden können, was voraussetzt, dass die irischen Banken noch einen restlichen ökonomischen Wert haben.
Wenn diese Banken insolvent sind, hätten die Anleihegläubiger leer ausgehen können.
In der Tat ist das genau die Politik, die der IWF hätte vortragen können. Aber der Fonds hat sich gegen die Einwände der EZB und der deutschen Regierung nicht durchsetzen können, erläutert Eichengreen.
Die Unnachgiebigkeit der deutschen Regierung und der EU-Verbündeten lassen sich in zweierlei Hinsicht interpretieren:
Sie verstehen weder von der Wirtschaft noch von der Politik, wie Tallyrand einmal sagte: „Die Bourbonen haben nichts gelernt und sie haben nichts vergessen“.
Deutsche Politiker und die in Frankreich und Grossbritannien sind davon zu Tode erschrocken, was eine Umstrukturierung der Bankschulden Irlands ihrem eigenen Bankensystem antun würde. Wenn die zweite Interpretation stimmt, dann ist die angemessene Antwort ist nicht, Irland Kredit zu verleihen, sondern das deutsche, französische und britische Bankensystem richtig zu kapitalisieren, sodass sie eine unvermeidliche Umstrukturierung Irlands überstehen, argumentiert Eichengreen.
Wie John Maynard Keynes einst sagte: Leadership beinhaltet, dass man „rücksichtslos die Wahrheit sagt“. In Europa von heute, wie die jüngsten Ereignisse es deutlich gemacht haben, ist die Leadership eine Mangelware, fasst Eichengreen zusammen.
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