Mark Thoma findet es unglaublich und erschreckend, dass die Obama-Regierung am Vorabend der letzten Wahlen, in denen die Demokraten vernichtend geschlagen wurden, immer noch versucht, herauszufinden, ob das Problem der Arbeitslosigkeit strukturell oder zyklisch ist. Selbst wenn man einen grossen Teil der Arbeitslosigkeit strukturellen Faktoren zuschreiben würde, gibt es noch viel konjunkturelle Arbeitslosigkeit, die es wirtschaftspolitisch anzugehen gilt, bemerkt Thoma. Beispielsweise schätzt San Francisco Federal Reserve („Is Structural Unemployment on the Rise?“), dass nur 1,25% der Anstiegs der Arbeitslosenquote auf strukturelle Faktoren zurückzuführen ist. Der Rest des Anstiegs, bis auf 10% ist zyklisch bedingt. Egal, wie man es betrachtet, zeigen die Zahlen, dass wir ein erhebliches konjunkturelles Problem haben und die Regierung versuchen muss, dagegen etwas zu unternehmen, fasst der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor zusammen. Die Regierung erlaubt es der anderen Seite, die Kontrolle über die politische Debatte zu übernehmen, bedauert Thoma.
Steuung im Beschäftigungswachstum, Graph: Federal Reserve Bank of San Francisco
Paul Krugman wundert sich angesichts der fehlenden Überzeugung, wer im von Obama einberufenen Meeting zugunsten von strukturell argumentiert hat. Er kann es sich kaum vortellen, dass ein Ökonom im Wirtschaftsteam von Obama es leugnen würde, dass der Grossteil des Anstiegs der Arbeitslosigkeit seit 2007 zyklisch ist.
Was meinen aber Ökonomen, wenn sie von einem Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit reden? Die Antwort: Ein Anstieg der minimalen Arbeitslosenquote, die man bekommt, bevor man beginnt, Probleme mit Inflation zu bekommen. Das kann vorkommen, weil die Arbeitslosen die falschen Fähigkeiten haben oder sie an der falschen Stelle sind oder sie das Leben geniessen wollen und daher nicht arbeiten oder was auch immer, erläutert Krugman. Als Beispiel ist Grossbritannien zu erwähnen. Grossbritannien erlitt einen starken Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit in den späten 1970er Jahren durch die 1980er Jahre. Das war der Weg, den die Inflation in den 1980er Jahren nahm, obwohl die Arbeitslosenquote im historischen Vergleich sehr hoch war, legt Krugman dar. Wenn man also merkt, worum es geht, realisiert man, dass viele Dinge, die die Leute in Sachen strukturelle Arbeitslosigkeit heute sagen, einfach nicht zutreffen. Wir hatten eine grosse Blase in der Vergangenheit. Das erklärt aber nicht, warum unsere Bemühungen heute, die Beschäftigung zu fördern, Inflation verursachen sollen. Wo ist also der Nachweis einer strukturellen Arbeitslosigkeit in Amerika? Das Lohnwachstum verlangsamt sich. Die Kerninflation fällt. Wenn man aber nach Anzeichen von Fertigkeiten (skills) als Mangelware Ausschau hält, also nach Regionen ohne genügend Arbeitskräfte, sind sie nicht vorhanden.
Fazit: Die einzigen Ökonomen, die glauben, dass die Wirtschaft weitgehend unter einem Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit leidet, sind diejenigen, die aus ideologischen Gründen den Standpunkt vertreten, dass die Nachfrage-Seite (demand side) der Wirtschaft keine Rolle spielt. Nach ihrer Defintion muss der Anstieg der Arbeitslosigkeit in ihrem Universum strukturell sein.
Erläuterung zur Abbildung:
Fehlanpassungen (mismatch) in Beschäftigung würden voraussichtlich zunehmen, wenn das Beschäftigungswachstum uneben verliefe, mit einigen Sektoren, die zunehmen, und anderen Sektoren, die abnehmen würden. Der tatsächliche Umfang einer solchen Job-Umverteilung (job reallocation) lässt sich durch die Prüfung von Differenzen im Beschäftigungswachstum in den einzelnen Sektoren grob errechnen. Die Abbildung zeigt, dass die Streuung in Beschäftigungsgewinnen und –verlusten in der jüngsten Rezession als Folge der schweren und ungleich verteilten Jobverluste gespickt ist. Zum Beispiel ist die Beschäftigung im Baugewerbe um fast 25% gegenüber dem Beginn der Rezession bis Ende 2009 zurückgegangen, während die Jobs im Gesundheits- und Bildungssektor um 4% gestiegen sind. Ähnlich wie bei früheren Rezessionen waren die Arbeitsplatzverluste in zyklisch sensiblen Sektoren wie Bau und Fertigung konzentriert. Ausserdem: Nachdem die Gesamtbeschäftigung sich stabilisiert hat, ist die Streuung der Beschäftigungsgewinne und –verluste zwischen den Sektoren wieder zurück zum Vor-Rezessions-Niveau gekehrt, was ein sehr geringes Ungleichgewicht im Tempo des Beschäftigungswachstums in diesem Punkt nahelegt.
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