Mike Konczal befasst sich in einem lesenswerten Eintrag in seinem Blog mit der Broken-Windows-Theorie und zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass es eine ganz starke Korrelation zwischen konservativer Wirtschaftspolitik und grossen Gefängsnisinsassen gibt. „Es gibt eine gewaltige Explosion in der Rate der Gefängnisinsassen in den USA seit 1970“, bemerkt Konczal. Im Grossen und Ganzen hebt er folgende vier Aspekte hervor: (1) Empirische Studien stellen fest, dass Bundesstaaten mit einem republikanischen Gouverneur und mit einem republikanischem Gesetzgeber (Legislative) einen stärkeren Anstieg inhaftierten Bevölkerung zeigen, und die Wirkung wird seit den 1990er Jahren stärker. (2) Die Kriminalität ist nicht unendlich. Das heisst, dass die Verbrechen von einer relativ kleinen Anzahl von Menschen begangen werden. Wenn man diese Leute von der Strasse wegbringen kann (der Fachbegriff ist „incapacitation“), kann man einen grossen Unterschied machen. Und das ist genau das, was geschehen ist, weil eben keine „incapacitation“ stattfindet, zitiert Konczal aus James Q. Wilsons Buch („Thinking about Crime“).
Wirtschaftliche Freiheit versus Gefängnisinsassen, Graph: Mike Konczal, Rortybomb
Die älteren Konservativen waren v.a. literarische Intellektuellen (Russell Kirk, Richard Weaver usw.) Was die Neo-Konservativen in die Politik gebracht haben, ist die Anwendung der Sozialwissenschaft für soziale Probleme. Was sie konservativ gemacht hat, wie Frau Thatcher sagte, dass die Tatsachen des Lebens konservativ sind, legt Konczal weiter dar. (3) Was die Ideologie betrifft: Die Idee, dass eine Polizeikraft eher lediglich Verbrechen löst als die Ordnung aufrechterhält, ist das Ergebnis der Privatdedektei-Industrie, welche in die Polizei und Professonalisierung der Anwälte und Staatsanwälte aufgenommen wurde, erklärt Konczal. Das sei aber ein Zufall gewesen, der behoben werden müsse. (4) Die konservative Bewegung ist ziemlich fantastisch, beschreibt Konczal. Und wie geduldig sie (und ihre Förderer) sind!
Geht es um die Frage des unvermeidlichen Zusammenbruchs der amerikanischen Gesellschaft, wie Paul Krugman in seinem Blog andeutet? Es war in den 1970er und 1980er Jahren, und irgendwie auch in den 1990er Jahren die Rede davon, dass die ganze USA, zumindest die zentralen Städte sich in so etwas wie South Bronx verwandeln würden, oder noch schlimmer. Es war praktisch ein Klischee der populären Kultur, ein Thema, welches von Schriftstellern wie Gertrude Himmelfarb feierlich und ausführlich behandelt wurde, erklärt Krugman. Demnach könnte nur eine Rückkehr zu traditionellen moralischen Werten unseren Verfall aufhalten. Und dann geschah etwas Lustiges, legt Krugman dar: „Werte setzten den Wandel fort. Wir haben vorehelichen Sex und lassen uns scheiden, homosexuelle und lesbische Paare gingen in die Öffentlichkeit, relative wenige Amerikaner gingen in die Kirche (obwohl eine grössere Anzahl behauptete, dass sie gingen)“. Doch die Kriminalität ist stark zurückgegangen. Grosse Städte (z.B. New York im Besonderen) wurden sicherer als in vielen Jahrzehnten. Und die allgemeine Gesellschaft schien zusammenzuhalten, beschreibt Krugman weiter. Warum das alles passiert ist, wissen wir wirklich nicht. Aber das Scheitern der Dystopie im Zeitplan erscheint eine der bemerkenswerten guten Dinge über die moderne USA, fasst Krugman zusammen.
PS: Die Broken-Windows-Theorie (Fundament der Nulltoleranzstrategie) ist grundsätzlich eher eine Kontroll- als eine Kriminalitätstheorie, da sie nicht die Ursachen von Kriminalität erklärt, sondern lediglich Symptome beschreibt.
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