Dienstag, 14. Dezember 2010

Europäische Gemeinschaftsanleihe: Wie der E-Bond-Plan aussieht

Der Vorschlag, der von Jean-Claude Juncker und Giulio Tremonti in einem Artikel („E-bonds would end the crisis“) in FT unterbreitet wurde, einen E-Bond zu begeben, hat weit verbreitete Kontroverse ausgelöst. Während einige Beobachter die Ansicht vertreten, dass die Idee einer Euro-Anleihe (E-Bond) den Kern der Lösung der europäischen Schuldenkrise darstellt, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kategorisch nein. Merkel sagt ausserdem auch zu einer Aufstockung des EU-Rettungsschirms (EFSF=europäische Finanzstabilisierungsfazilität) nein. Später hat auch der französische Staatspräsident Nicholas Sarkozy der Forderung nach einer Emission einer gemeinsamen europäischen Anleihe eine Absage erteilt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht sich auch dagegen aus. Luxemburgs Premierminister Juncker wirft Deutschland daher „etwas simpel“ zu denken. Die deutsche Regierung begründet ihre Absage erstens mit dem Hinweis auf „Mehrbelastung“, weil sie davon ausgeht, dass die Zinsen für eine Gemeinschaftsanleihe über dem Zinssatz liegen würde, zu dem Deutschland derzeit Geld aufnehmen kann.


Aufteilung der Schulden in „Blue Debt“ und „Red Debt“, Graph: Jacques Delpla und Jakob von Weizsäcker, Blue Bond Proposal, Mai 2010

Der zweite Grund, den die deutsche Regierung vorgibt, ist, dass ein E-Bond den Druck auf Haushaltssanierung in finanzschwachen EU-Staaten mindern würde, weil sie sich dann günstiger refinanzieren könnten. Deutsche Familienunternehmer drohen in einem Brief, den sie an die Kanzlerin geschrieben haben, mit Abwanderung, falls „Europas Schulden vergemeinschaftlicht werden sollten“. Der Juncker-Tremonti-Plan versucht, diese Schwierigkeiten zu umgehen. Die Einzelheiten des E-Bond-Plans lassen sich einem Vorschlag, der im Mai im Vorjahr durch den Think Tank Brügel in Brüssel veröffentlicht wurde, entnehmen, wie Gavyn Davies in einem Artikel in FT bemerkt. Demnach würde ein Teil der Schulden eines jeden EU-Mitglieds durch die E-Bonds finanziert, welche gemeinsam von allen EU-Mitgliedern gewährleistet würden. Das wird als „Blue Debt“ bezeichnet. Der Rest der Schulden („Red Debt“) wird von jedem EU-Mitglied selbst getragen, ohne die Garantie der EU. Es gibt dazu (d.h. für die „Red Debt“) noch eine Vereinbarung über eine Standard-Default-Prozedur (Zahlungsausfall), was Deutschland eigentlich gern sehen will. Weil Länder für diesen Teil der Schulden mit steigenden Spreads (Risikoaufschlägen) konfrontiert würden, hätten sie Anreize, „gutes Verhalten“ an den Tag zu legen.

Die Bedeutung des Plans hängt eindeutig von dem Verhältnis der „Blue Debt“ von der „Red Debt“ in jedem EU-Land ab, argumentiert Davies. Wenn „Blue Debt“ die gesamte Staatsverschuldung in einem Mitgliedsland abdeckt, dann werden alle Schulden in der Tat durch das EU-System als Ganzes garantiert, was letztlich bedeutet, dass das Risiko der gesamten EU-Zone von den finanzstarken Ländern übernommen wird. Wenn aber das Verhältnis der „Blue Debt“ sehr niedrig eingestellt ist, dann würde der neue Mechanismus in der Tat nichts anderes als die derzeitigen Regelungen bedeuten. Nach Juncker-Tremonti-Plan würde die „Blue Debt“ auf 40% des BIP eines jeden EU-Mitglieds festgelegt, sodass jede Forderung, die über diese Summe hinausgeht, von der Haftung nicht betroffen wird. Das würde bedeuten, dass alle Mitgliedsländer noch einen beträchtlichen Teil ihrer Verschuldung selbst finanzieren müssten.

Wie würde aber der Juncker-Tremonti-Plan die gegenwärtige Krise lösen? (1) Ein Grossteil der vorhandenen Schulden in finanzschwachen EU-Mitgliedsländern würde zu einem tieferen Zinssatz refinanziert, was das Solvenzproblem etwas entlasten würde, (2) Es gäbe einen Umstrukturierungsplan, wonach die Anleihegläubiger von notleidenden Papieren eine Option bekämen, die Forderungen gegen „Blue Debt“ zu tauschen (swap option), und zwar zu marktüblichen Sätzen. Das würde die Schuldenquote in finanzschwachen Ländern reduzieren und (3) unter den gegenwärtigen Voraussetzungen würden alle neuen Anleihe-Emissionen für eine Weile in die „Blue Debt“-Kategorie fallen, was Spekulationen gegen das System verhindern würde.

Fazit: Der E-Bond-Plan wäre der erste Schritt in Richtung Politische Union. Die Bailout- und Moral Hazard-Elemente des Blue-Debt-Plans müssten aber vorerst noch angegangen werden, damit Deutschland und Frankreich zustimmen.


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