Der vergangene Woche von Jean-Claude Juncker und Giulio Tremonti unterbreitete Vorschlag, eine europäische Gemeinschaftsanleihe (E-Bond) zu begeben, beinhaltet zwei Inhalte: (1) Die Einrichtung einer European Debt Agency (EDA), die die European Financial Stability Facility (EFSF= EU-Rettungsschirm) ersetzen soll und (2) die Bereitstellung einer neuen Schuldverschreibung (debt instrument). Die Idee, gemeinsame Anleihen zu begeben, ist nicht neu. Das Konzept geht auf Jacques Delors in den 1980er Jahren zurück, schreibt Paolo Manasse in einem lesenswerten Essay („My name is Bond, Euro Bond“) in voxeu. Es wurde kürzlich vom jüngsten Monti-Bericht an Präsident Barroso erneut aufgegriffen. Laut Juncker, dem Ministerpräsidenten Luxemburgs sollen nicht alle Schulden gemeinsam finanziert werden, sondern nur der Betrag, der 40% dem BIP (jährliche Wirtschaftsleistung) eines EU-Mitgliedslandes entspricht. 100% würde nur in Ausnahmefällen gelten.
Manasse verweist darauf, dass die Euro-Bonds gemäss Initianten zwei wichtige Ziele erreichen sollen: (I) Die Erstellung eines Anleihemarktes in Grösse und Liquidität vergleichbar mit dem für US-Treasury Bonds, (II) die Unterbindung von spekulativen Angriffen gegen die Staatsverschuldung in der Euro-Zone. Die Kritiker des Euro-Bond-Plans argumentieren, dass die neuen E-Bonds (a) die Anreize zur Haushaltsdisziplin schwächen, und (b) die tugendhaften Länder bestrafen würden, weil für sie die Fremdkapitalkosten stiegen.
Was wichtig sei, ist das Moral-Hazard-Problem, bemerkt der an der University of Bologna lehrende Wirtschaftsprofessor. Gemeint ist damit, dass die Staaten mit laxer Haushaltsführung keinen Anreiz hätten, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Prof. Manasse vertritt aber die Meinung, dass es zwei weitere Aspekte gibt, welche viel mehr Aufmerksamkeit verdienen: (i) fiscal sovereignty (Steuerhoheit) und (ii) default (Zahlungsausfall). Was ist aber damit gemeint? Die Staatsverschuldung hat nur dann einen positiven Marktwert, wenn diejenigen, die die Anleihen kaufen, glauben, dass der Staat in der Lage ist, die Anleihen in Zukunft zu bedienen, indem er Haushaltsüberschüsse produziert, beschreibt Manasse. Da der EU-Haushalt bei weitem nicht gross genug ist, die Schulden, die 40% der europäischen Wirtschaftsleistung (BIP) entsprechen, zu zahlen, muss eine der folgenden Aussagen stimmen: entweder die Euro-Bonds haben keinen Markt, oder wenn sie einen haben, dann weil Investoren glauben, dass die neuen E-Bonds schliesslich von den Ländern, die Haushaltsüberschüsse erwirtschaften (oder von einer europaweiten Steuer), vergütet werden.
Die Euro-Bonds erfordern eine Fiskal-Union, wo Länder mit hoher Verschuldung ihre Steuer- und damit politische Hoheit (Souveränität) verlieren würden. Die ursprüngliche Idee war als ein Instrument der Finanz-Infrastruktur gedacht und wurde im Kontext der finanziellen Stabilität entwickelt, legt Manasse dar. Heute wird die Idee als Mechanismus zur Bewältigung der Schuldenkrise wiederbelebt. Der Vorschlag beinhaltet einige Merkmale von sog. „Exchange Offers“, der in den Krisen von Pakistan, Ukraine und Uruguay im letzten Jahrzehnt erfolgreich ausgeführt wurde, erklärt Manasse. Der Staat als Schuldner, dem ein Zahlungsausfall droht, schlägt vor, dass die Gläubiger die neuen Anleihen „freiwillig“ akzeptieren sollen, im Austausch für die bestehenden Papiere. Die neuen Bonds sind zwar weniger wert (d.h. mit Haircut ausgestattet), aber dafür sind sie im Vergleich zu den bisherigen Bonds „senior“ (vorrangig), weil ihre Rückzahlung vorrangig ist.
Wenn das Konzept also gut geplant wird, kann es ein bequemes Angebot für Gläubiger darstellen, welche, indem sie es annehmen, weniger verlieren würden, als wenn sie es ablehnen und einen Zahlungsausfall herbeiführen würden. Das Angebot ist für den Staat als Schuldner deutlich bequem, da der Staat seine Schulden reduziert und weiterhin Zugang zu internationalen Kapitalmärkten hat, und zwar zu günstigen Sätzen. Dieses Verfahren erfordert jedoch keine internationale Garantie, wie im Fall von E-Bonds. Noch wichtiger ist, dass die Umwandlung der alten in neue Schulden nur Sinn macht, wenn es so bald wie möglich geschieht, hebt Manasse hervor. Die EDA würde laut Juncker und Tremonti erst im Jahre 2013 in Kraft treten. Würde der E-Bond-Plan (eine gemeinsame Anleihe aller Euro-Länder) jetzt in die Tat umgesetzt, würde er Zahlungsausfall in den finanzschwachen Ländern auslösen, so Manasse.
Fazit: „Der Juncker-Tremonti-Vorschlag ist eine gute Idee, was die Finanz-Infrastruktur und die Erhöhung der Liquidität betrifft, aber der Plan ist eine schlechte Idee, was das Timing betrifft“, fasst Manasse zusammen.
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