Ezra Klein hat am
Wochenende im Wonkblog von WaPo mit der Aussage, dass die Ungleichheit nicht „die bestimmende
Herausforderung unserer Zeit“ ist, eine heisse Debatte unter Ökonomen in der
amerikanischen Blogosphäre ausgelöst.
Ausgangspunkt ist, dass Präsident Obama die Ungleichheit neulich
als „the defining challenge of our time“ bezeichnet hat.
Klein sagt, dass das Wirtschaftswachstum und die
Arbeitslosigkeit diese Herausforderung vielleicht besser darstellen. Die
Demokraten sollen sich deshalb besser auf das Thema Arbeitslosigkeit
konzentrieren.
Klein übersieht aber, dass die Ungleichheit das Wachstum
schädigt, schreibt Dean Baker in seinem Blog als Antwort darauf und fügt
hinzu, dass Ungleichheit und Arbeitslosigkeit das gleiche Problem sind. Es sei ernsthaft
fehl am Platz, die Ungleichheit und Arbeitslosigkeit als separate Probleme
anzusehen.
Es mag sein, dass die Beweise weniger schlüssig sind als wir
denken, aber die Möglichkeit soll trotz der weitgehenden Zurückhaltung der Ökonomen
nicht ausser Acht gelassen werden, unterstreicht der Direktor des Center for Economic and Policy Research
(CEPR) in Washington.
Es sei schwierig, eine Verbindung zwischen der steigenden
Ungleichheit und dem schwachen Verbrauch zu finden. Aber es ist auch
offensichtlich, dass die jahrzehntelange zunehmende Ungleichheit mit den
jahrzehntelang anhaltenden Bubbles am
Aktien- und Immobilienmarkt einhergeht, so Baker weiter. Man denke daran, dass
der private Konsum ein Teil des Einkommens ist.
Jared Bernstein,
der mit Dean Baker kürzlich ein Buch („Getting Back to Full Employment“) zum Thema vorgelegt hat, vertritt in seinem Blog die Ansicht, dass die
nachfrage-orientierte wirtschaftspolitische Massnahmen sowohl die Arbeitslosigkeit
senken als auch die Ungleichheit reduzieren.
Die Entwicklung des niedrigen, mittleren und hohen Einkommens in den USA, Graph: Jared Bernstein in: Picture of Job Market Slack, Nov 2013
Ein wesentlicher Faktor für die wachsende Ungleichheit ist insbesondere
die verminderte Verhandlungsmacht der Mittel- und Niedriglohn-Arbeiter. In
einer Wirtschaft wie der der USA mit wenig Druck von Tarifverhandlungen, niedrigen
Löhnen und einem grossen Niedriglohnsektor im Vergleich zu anderen
Industrieländern sind die strengen Arbeitsmärkte der einzige Freund, den die
Arbeiter-Familien haben, hebt Bernstein hervor.
In den Zeiten, wo die Arbeitsmärkte 2/3 der Zeit fest waren,
sind die Einkommen gewachsen. In den Zeiten, wo die Arbeitsmärkte 1/3 der Zeit
fest waren, ist das Wachstum auseinandergeraten, bemerkt Bernstein weiter.
Bekämpft man die schwache gesamtwirtschaftliche Nachfrage, kann man damit auch
die Ungleichheit verringern, lautet seine Schlussfolgerung.
Prozentuale Anzahl der Quartale mit „zu hohen“
Arbeitslosigkeit in den USA, Graph:
Jared Bernstein in: Picture of Job Market Slack, Nov 2013
Das Wirtschaftswachstum alleine reicht aber nicht aus, um
die Ungleichheit zu unterbinden. Bernsteins Argument ist daher, dass Vollbeschäftigung
eine gerechtere Verteilung des Wachstums erzwingt, wofür man sich einsetzen
müsse.
Auch Paul Krugman
ist mit Ezra Klein nicht einverstanden. Sein Hauptargument ist, dass die
steigende Ungleichheit mehr Schaden angerichtet hat als der Abschwung, um die Einkommen
der Mittelschicht zu drücken.
Der an der University of
Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor nennt in seinem Blog vier
Gründe, warum es wichtig ist, das Augenmerk auf Ungleichheit zu richten.
(1) Der Anteil der unteren 90% am Einkommen (ohne
Kapitalgewinne) ist von 54,7% im Jahre 2000 auf 50,4% im Jahr 2012 gesunken.
Das bedeutet, dass das Einkommen der unteren 90% heute um ca. 8% niedriger ist
als es gewesen wäre wenn die Ungleichheit stabil geblieben wäre.
(2) Für die Wirtschaftskrise ist zum Teil die steigende
Ungleichheit verantwortlich. Die hohen Ersparnisse der oberen 1%, erhöhen die Verschuldung weiter
unter auf der Skala, während die Nachfrage nachhaltig nur geringfügig steigt. Und die Kreditaufnahme wird durch die Ungleichheit weiter
angetrieben, was zu Ausgaben-Kaskaden führt.
(3) Der Aspekt der politischen Ökonomie: Die politischen
Fehler sind vor und vielleicht sogar noch mehr nach der Krise durch steigende Ungleichheit
verzerrt worden, was mit einem Anstieg der politischen Macht der 1% einherging.
Vor der Krise hat ein Elite-Konsens Deregulierung und
Financialization gefördert, obwohl das Ganze durch die Evidenz nicht gestützt wurde, aber den
Interessen einer kleinen, wohlhabenden Minderheit diente. Nach der Krise kam es
rasch zu einer Wende, weg von der Idee für die Schaffung von Arbeitsplätzen hin zu dem Ansatz der Bekämpfung der
Haushaltsdefizite. War das alles aber im Interesse des durchschnittlichen Wählers?
Nein. Es war eine Widerspiegelung der Prioritäten der Reichen. Und damit wurden mit der Zeit auch Forderungen laut, die Unterstützung für Langzeitarbeitslose und
Menschen in Not zu kürzen, weil die Wirtschaft sich sonst erholen könne.
(4) Die Frage ist laut Krugman, was die
progressiven Think Tanks in den USA erforschen sollen. Klein sagt, dass die
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt stehen soll anstelle von
Bemühungen, die Ungleichheit zu reduzieren. Wir wissen aber, wenn auch nicht
vollkommen, wie die Arbeitslosigkeit angegangen werden kann. Es ist kein Geheimnis, dass
die Erholung der Wirtschaft langsam vor sich geht. Was wäre anders zu erwarten
gewesen, wenn man imitten des Schuldenabbau-Prozesses im privaten Sektor die
Fiskalpolitik restriktiv gestaltet und die Geldpolitik angesichts der
Null-Zinsen (zero lower bound) keine
Wirksamkeit entfalten kann. Die Frage ist also, warum die Politik alles, was die
Makroökonomie gezeigt hat, einfach ignoriert. Die Antwort auf diese Frage hat
viel mit dem Thema Ungleichheit zu tun.
Fazit: Die Ungleichheit ist bestimmt „die“
bestimmende Herausforderung unserer Zeit.
PS: Auch Robert
Reich sagte in einem Interview (vor rund zwei Monaten) mit Yahoo Finance, dass die Einkommensungleichheit der Feind des Wirtschaftswachstums ist.
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