Alan Greenspan war 19 Jahre lang der Vorsitzende der US-Notenbank (Fed).
Gewählt worden ist der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler von Präsident
Ronald Reagan im Jahr 1987. Der New Yorker hat insgesamt unter vier
US-Präsidenten die US-Geldpolitik gestaltet. Sein Ruf als „grand maestro“ der Geldpolitik und der allgemeinen Orakel über die
Wirtschaft ist jedoch seit seinem Amtsaustritt vor der Finanzkrise von 2008
stetig bergab gegangen.
Robert Solow liefert in einem langen Artikel („Alan Greenspan is still trying to justify his bad decisions“) in New Republic eine kritische Würdigung der Greenspan-Ära der Fed.
Greenspan hat die ersten beiden
Herausforderungen während seiner Amtszeit meisterhaft bewältigt, schreibt der inzwischen
emeritierte Professor für Wirtschaftswissenschaften am MIT.
Als der Aktienmarkt im Oktober
1987 zusammenbrach, tat die Fed das klassisch Richtige, so der Träger des Nobelpreises
für Wirtschaftswissenschaften von 1987. Die Fed hat die Bereitschaft
unterstrichen, das Finanzsystem mit Liqudität zu versorgen, wo es erforderlich
sein sollte, sodass jeder, der in Panik gehandelt hat, es wahrscheinlich
bereuen würde. Der Finanzmarkt kam folglich nicht zum Erliegen. Die
Realwirtschaft wurde vom Einbruch der Aktienkruse im Wesentlichen nicht
betroffen.
Während der langen Clinton-Ära
erlebte die Wirtschaft einen Aufschwung (von 1992 bis 2000). Die Fed und
Greenspan standen laut Solow einem komplexen Problem gegenüber. Dennoch taten
sie erneut das Richtige. Denn fast alle Experten und wahrscheinlich auch die
meisten professionellen Ökonomen im Dienst der US-Notenbank glaubten, dass die „natürliche
Arbeitslosigkeitsrate“ um rund 6,5-7% liege. Als der Aufschwung sich fortsetzte
und der Haushalt einen Überschuss aufwies, erhöhte die Politik den Druck auf
die Fed. Die Zeit sei gekommen, die Geldpolitik zu straffen. Die Zinsen müssten
erhöht werden. Sonst würde Inflation ausser Kontrolle geraten.
Greenspan sah auf die Daten und
die Wirtschaft um ihn herum und war davon überzeugt, dass das
Wirtschaftswachstum anhalten würde, beschreibt Solow weiter. Am Ende hatte
Greenspan recht: Die Arbeitslosigkeit ist unter 4% gesunken. Greenspan vertrat die
Ansicht, dass die Produktivität sich schneller verbessern würde als alle
anderen dachten und herkömmlichen Messwerte nahelegten. Es gab einige andere
Faktoren, die dafür sprachen. Das war nach Solows Worten eine Zurschaustellung
von Pragmatismus.
Das ist aber alles, was auf der
Plus-Seite von Greenspan steht. Auf der Minus-Seite veranschlagt Solow zwei
grosse Fehler. Das erste Versagen ist, dass Greenspan die Bedeutung der
Immobilien-Blase und die gefährliche Anfälligkeit des Finanz-Mechanismus nicht erkannt
hat. Hätte Greenspan das Ganze eingesehen, und die Bubble prompt
durchgestochen, wären der Wirtschaft die lange Phase der Wachstumsschwäche
erspart geblieben, worunter wir heute noch leiden.
Der zweite Fehler war Greenspans
tiefe Überzeugung davon, dass das unregulierte Finanzsystem sich selbst
stabilisiere, wonach das Eigeninteresse all dieser klugen und erfahrenen
Marktteilnehmer mit viel Vermögen im Spiel für die Anhäufung des Risikos in
erträglichen Grenzen sorge. So hat Greenspan die Deregulierung gefördert und
zugelassen, dass das Desaster einschlug, als der einfache Glaube daran sich als
falsch erwies.
Der erste Fehler ist teilweise
entschuldbar. Der zweite Fehler sei aber eine Katastrophe gewesen. Und es war
kein Zufall, hält Solow als Fazit fest.
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