Buchbesprechung
Anat Admati & Martin Hellwig: Des Bankers neue Kleider. Was bei Banken wirklich schief läuft und
was sich ändern muss. Finanzbuch Verlag,
München, 2014:
Die Finanzkrise hat deutlich vor Augen geführt, dass die
Eigenkapitalquote von Finanzunternehmen sich im einstelligen Prozent Bereich
bewegt.
Während börsenkotierte Unternehmen in allen anderen Sektoren im
Durchschnitt ein Eigenkapital in Höhe von rund 50% der Bilanzsumme haben,
finanzieren sich nur die Banken zu 95% bis 97% mit Fremdkapital. Warum? Sind Banken
etwas Besonderes? Nein. Bank-Manager behaupten wider besseres Wissen, dass das
Eigenkapital (EK) teuer sei, weil die Aktionäre angeblich höhere Renditen
verlangen.
Stimmt es? Nein. Die Banker richten das Augenmerk auf die
Eigenkapitalrentabilität, weil die Vergütung des Managements von der
Eigenkapitalrentabilität als Leistungsmassstab abhängt. Solange aber die Banken
auf die Eigenkapitalrendite fixiert bleiben, haben sie unmittelbar Anreize,
hohe Risiken einzugehen und möglichst wenig Eigenkapital (bzw. möglichst viel
Fremdkapital) einzusetzen. Wenn sie Glück haben, ergeben sich hohe Gewinne aus
der Hebelwirkung (leverage) und die Aktionäre
der Banken profitieren davon.
Während aber die Gewinne privatisiert werden, werden die Verluste
sozialisiert. Das heisst, dass die Verluste zu Lasten der Gläubiger und der
Steuerzahler gehen. Die Die stärkere Hebelung des EK ist ein zweischneidiges
Schwert. Das hohe Fremdkapital (FK) vergrössert nicht nur die Gewinnchancen,
sondern auch die Verlustrisiken. Was soll also daran „Leistung“ sein,
übermässige Risiken auf Kosten der Gesellschaft einzugehen? Zwischen-Fazit: Die
Eigenkapitalrendite eignet sich nicht als Leistungsmassstab und die Banken
brauchen deutlich mehr EK, wie Anat
Admati und Martin Hellwig in
ihrem unbedingt lesenswerten Buch mit praktisch nachvollziehbaren Fallstudien unterstreichen.
Die Autoren veranschaulichen scharf umrissen, wie die Banken die
grundlegende Beziehung zwischen Schulden und Risiko ignorieren. Fest steht
anderseits, dass mehr Eigenkapital nicht automatisch zu einer niedrigeren
Eigenkapitalrendite führt. Wenn ein Unternehmen mehr EK einsetzt, sinkt seine
EK-Rendite nur dann, wenn die Rendite auf seine Anlagen und Investitionen über
den Kreditzinsen liegt, die das Unternehmen zahlen muss.
Die EK-Rendite ist bei Banken vom Finanzierungsmix abhängig. Es kommt
v.a. auf die Mischung aus Schulden und EK an. Warum? Weil auch bei Unternehmen
das Risiko eines Zahlungsausfalls von der Mischung aus FK und EK abhängt. Die
Autoren bieten dazu verschiedene Beispiele mit konkreten Zahlen an und legen als
Schlussfolgerung für die Banken ein EK-Polster von 20 bis 30% der ungewichteten Bilanzsumme nahe.
Das EK ist per se nicht teuer. Die Kosten der Schuldenfinanzierung hängt
davon ab, wie hoch das Unternehmen insgesamt verschuldet ist. „Für die
Finanzierungskosten des Unternehmens kommt es auf die Risiken der Anlagen und
Investitionen des Unternehmens an, nicht aber darauf, wie diese Risiken auf die
Geldgeber aufgeteilt werden“, halten die Autoren fest. Was die Verschuldung für
die Banken attraktiv machen mag, sind Versicherungen und Garantien (Stichwort:
TBTF), die die öffentliche Hand für zahlreiche Schulden gibt, die mit Einlagen
nichts zu tun haben.
Weil es wegen der engen Vernetzung der Banken schwer ist, die
Dominoeffekte aus einer Insolvenz zu schätzen, neigen die Staaten dazu, die
grossen Banken nicht fallen zu lassen. Diese implizite Garantie (im Kontext mit
der steuerlichen besser Behandlung des FK) kann den Eindruck hinterlassen, als
ob das FK tendenziell günstig ist als das EK. Es ist aber ein Trugschluss,
weshalb die Autoren die vielen fehlerhaften und irreführenden Argumente der
Banken „Des Bankers neue Kleider“ bezeichnen.
Die Stabilität des Finanzsystems kann gestärkt werden, wenn die Banken
auf Ausschüttungen aller Art verzichten und Gewinne einbehalten. Ein
Ausschüttungsverbot mag auf den ersten Blick die Aktionäre von Banken
schädigen, aber macht dafür die Banken sicherer. Der Spielraum für die Kreditvergabe
wird nicht kleiner, sondern grösser. Und es nützt den Gläubigern der Bank und
der Gesellschaft insgesamt. Weil eine sicherere Bank eher in der Lage ist, gute
Kredite zu vergeben und andere Dienstleistungen für die Volkswirtschaft zu
erbringen. Und vom Standpunkt der Banken selbst wären im Grunde genommen höhere
EK-Anforderungen günstiger als andere Arten von Regulierungen.
Im besten Abschnitt des Buches, dem Kapitel 12 („Banken
und Politik“) weisen die Autoren die Sinnlosigkeit des „Wettbewerbs als Dogma“ nach.
Admati und Hellwig überführen des Widersinns der Behauptungen derjenigen
Politiker, die in diesen Tagen im Disput um die makroökonomischen
Ungleichgewichte in der EWU aufstellen, wie wenn die Länder im Handel im
Wettbewerb mit einander stehen würden. Die
entscheidende Frage ist für ein Land nicht, ob „ihre“ Banken im globalen
Wettbewerb erfolgreich sind. Die entscheidende Frage ist, ob die Ressourcen
(v.a. Menschen und ihre Arbeit) auf möglichst produktive Weise eingesetzt
werden. Die Autoren plädieren dafür, den Wettkampf der Nationen (rat race) zu beenden.
Anat Admati ist Professorin für Finanzwirtschaft an
der Stanford University. Martin Hellwig ist Professor für Volkswirtschaftslehre
und Direktor am Max-Planck-Institut .
Das Finanzsystem ist nach wie vor gefährlich. Das Bankwesen ist aber nicht
schwer zu verstehen. Man muss dazu nicht Finanzwissenschaft oder
Wirtschaftswissenschaften studiert haben.
Wer die Probleme (die meisten davon
sind einfach) besser verstehen und sich von irreführenden Argumenten der Banken
und der Banken-Lobby nicht einlullen lassen will, wie das Finanzsystem an den
Rand eines Zusammenbruchs kam, muss dieses Buch lesen. Es entlarvt die allgemeinen
verbreiteten Trugschlüsse. Es gelingt den Autoren, die Herausforderung bestehend
dem „Laien“ verständlich zu machen, dass die Verbesserung des Finanzsystems
wirksame Regulierung und Durchsetzung erfordert.
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