Montag, 9. Dezember 2013

Des Bankers neue Kleider

Buchbesprechung

Anat Admati & Martin Hellwig: Des Bankers neue Kleider. Was bei Banken wirklich schief läuft und was sich ändern muss. Finanzbuch Verlag, München, 2014:


Die Finanzkrise hat deutlich vor Augen geführt, dass die Eigenkapitalquote von Finanzunternehmen sich im einstelligen Prozent Bereich bewegt.

Während börsenkotierte Unternehmen in allen anderen Sektoren im Durchschnitt ein Eigenkapital in Höhe von rund 50% der Bilanzsumme haben, finanzieren sich nur die Banken zu 95% bis 97% mit Fremdkapital. Warum? Sind Banken etwas Besonderes? Nein. Bank-Manager behaupten wider besseres Wissen, dass das Eigenkapital (EK) teuer sei, weil die Aktionäre angeblich höhere Renditen verlangen.

Stimmt es? Nein. Die Banker richten das Augenmerk auf die Eigenkapitalrentabilität, weil die Vergütung des Managements von der Eigenkapitalrentabilität als Leistungsmassstab abhängt. Solange aber die Banken auf die Eigenkapitalrendite fixiert bleiben, haben sie unmittelbar Anreize, hohe Risiken einzugehen und möglichst wenig Eigenkapital (bzw. möglichst viel Fremdkapital) einzusetzen. Wenn sie Glück haben, ergeben sich hohe Gewinne aus der Hebelwirkung (leverage) und die Aktionäre der Banken profitieren davon.

Während aber die Gewinne privatisiert werden, werden die Verluste sozialisiert. Das heisst, dass die Verluste zu Lasten der Gläubiger und der Steuerzahler gehen. Die Die stärkere Hebelung des EK ist ein zweischneidiges Schwert. Das hohe Fremdkapital (FK) vergrössert nicht nur die Gewinnchancen, sondern auch die Verlustrisiken. Was soll also daran „Leistung“ sein, übermässige Risiken auf Kosten der Gesellschaft einzugehen? Zwischen-Fazit: Die Eigenkapitalrendite eignet sich nicht als Leistungsmassstab und die Banken brauchen deutlich mehr EK, wie Anat Admati und Martin Hellwig in ihrem unbedingt lesenswerten Buch mit praktisch nachvollziehbaren Fallstudien unterstreichen.


Die Autoren veranschaulichen scharf umrissen, wie die Banken die grundlegende Beziehung zwischen Schulden und Risiko ignorieren. Fest steht anderseits, dass mehr Eigenkapital nicht automatisch zu einer niedrigeren Eigenkapitalrendite führt. Wenn ein Unternehmen mehr EK einsetzt, sinkt seine EK-Rendite nur dann, wenn die Rendite auf seine Anlagen und Investitionen über den Kreditzinsen liegt, die das Unternehmen zahlen muss.

Die EK-Rendite ist bei Banken vom Finanzierungsmix abhängig. Es kommt v.a. auf die Mischung aus Schulden und EK an. Warum? Weil auch bei Unternehmen das Risiko eines Zahlungsausfalls von der Mischung aus FK und EK abhängt. Die Autoren bieten dazu verschiedene Beispiele mit konkreten Zahlen an und legen als Schlussfolgerung für die Banken ein EK-Polster von 20 bis 30% der ungewichteten Bilanzsumme nahe.

Das EK ist per se nicht teuer. Die Kosten der Schuldenfinanzierung hängt davon ab, wie hoch das Unternehmen insgesamt verschuldet ist. „Für die Finanzierungskosten des Unternehmens kommt es auf die Risiken der Anlagen und Investitionen des Unternehmens an, nicht aber darauf, wie diese Risiken auf die Geldgeber aufgeteilt werden“, halten die Autoren fest. Was die Verschuldung für die Banken attraktiv machen mag, sind Versicherungen und Garantien (Stichwort: TBTF), die die öffentliche Hand für zahlreiche Schulden gibt, die mit Einlagen nichts zu tun haben.

Weil es wegen der engen Vernetzung der Banken schwer ist, die Dominoeffekte aus einer Insolvenz zu schätzen, neigen die Staaten dazu, die grossen Banken nicht fallen zu lassen. Diese implizite Garantie (im Kontext mit der steuerlichen besser Behandlung des FK) kann den Eindruck hinterlassen, als ob das FK tendenziell günstig ist als das EK. Es ist aber ein Trugschluss, weshalb die Autoren die vielen fehlerhaften und irreführenden Argumente der Banken „Des Bankers neue Kleider“ bezeichnen.

Die Stabilität des Finanzsystems kann gestärkt werden, wenn die Banken auf Ausschüttungen aller Art verzichten und Gewinne einbehalten. Ein Ausschüttungsverbot mag auf den ersten Blick die Aktionäre von Banken schädigen, aber macht dafür die Banken sicherer. Der Spielraum für die Kreditvergabe wird nicht kleiner, sondern grösser. Und es nützt den Gläubigern der Bank und der Gesellschaft insgesamt. Weil eine sicherere Bank eher in der Lage ist, gute Kredite zu vergeben und andere Dienstleistungen für die Volkswirtschaft zu erbringen. Und vom Standpunkt der Banken selbst wären im Grunde genommen höhere EK-Anforderungen günstiger als andere Arten von Regulierungen.

Im besten Abschnitt des Buches, dem Kapitel 12 („Banken und Politik“) weisen die Autoren die Sinnlosigkeit des „Wettbewerbs als Dogma“ nach. Admati und Hellwig überführen des Widersinns der Behauptungen derjenigen Politiker, die in diesen Tagen im Disput um die makroökonomischen Ungleichgewichte in der EWU aufstellen, wie wenn die Länder im Handel im Wettbewerb mit einander stehen würden.  Die entscheidende Frage ist für ein Land nicht, ob „ihre“ Banken im globalen Wettbewerb erfolgreich sind. Die entscheidende Frage ist, ob die Ressourcen (v.a. Menschen und ihre Arbeit) auf möglichst produktive Weise eingesetzt werden. Die Autoren plädieren dafür, den Wettkampf der Nationen (rat race) zu beenden.

Anat Admati ist Professorin für Finanzwirtschaft an der Stanford University. Martin Hellwig ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor am Max-Planck-Institut . Das Finanzsystem ist nach wie vor gefährlich. Das Bankwesen ist aber nicht schwer zu verstehen. Man muss dazu nicht Finanzwissenschaft oder Wirtschaftswissenschaften studiert haben. 

Wer die Probleme (die meisten davon sind einfach) besser verstehen und sich von irreführenden Argumenten der Banken und der Banken-Lobby nicht einlullen lassen will, wie das Finanzsystem an den Rand eines Zusammenbruchs kam, muss dieses Buch lesen. Es entlarvt die allgemeinen verbreiteten Trugschlüsse. Es gelingt den Autoren, die Herausforderung bestehend dem „Laien“ verständlich zu machen, dass die Verbesserung des Finanzsystems wirksame Regulierung und Durchsetzung erfordert.

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