Der Ausbruch der Finanzkrise
liegt mittlerweile fünf Jahre zurück. Nur ein unverbesserlicher Optimist würde
sagen, dass das Schlimmste vorbei ist. Viele Länder in Europa stecken nach wie
vor in einer Depression. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt mehr als 50
Prozent. Unmenge an Humankapital wird zerstört. Eine Rückkehr zur „Normalität“ ist
in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
Vor diesem Hintergrund schreibt Joseph Stiglitz in einem lesenswerten
Artikel („An Agenda to Save the Euro“)
in Project Syndicate, dass kein Land jemals Wohlstand durch harsche Sparmassnahmen
(austerity) wiederhergestellt hat.
Der Euro-Entwurf ist ein Produkt der neoliberalen
Wirtschaftsdoktrin. Man dachte, dass es notwendig war, die Inflation so niedrig
wie möglich zu halten, um Wachstum und Stabilität zu fördern. Eine unabhängige
Zentralbank würde das Vertrauen in das Währungssystem sicherstellen. Geringe
Staatsverschuldung und Haushaltsdefizite würden die wirtschaftliche Konvergenz
zwischen den EU-Mitgliedsländern gewährleisten, sodass im Binnenmarkt Effizienz
und Stabilität herrschen würde. Nun steht fest, dass die neoliberale Agenda kläglich
gescheitert ist.
Die Inflation ist im Euro-Raum
unterdessen auf 0,7% gesunken. Damit wachsen Sorgen über eine Deflation. Zumal
die sog. internal devaluation (interne Abwertung) deflationäre Kräfte verstärkt. Und die reale Last der
Verschuldung steigt, womit die Erholung der Wirtschaft weiter abgebremst wird.
Die New York Times beschreibt in einem
lesenswerten Beitrag (“Americanized labor
policy is spreading in Europe“), wie die interne Abwertung im Euro-Raum zur
Zeit konkret aussieht:
Im Jahr 2008 waren 1,9 Millionen portugiesische Arbeitnehmer in der
Privatwirtschaft durch Tarifverträge abgedeckt. Im vergangenen Jahr belief sich
die Zahl auf 300‘000.
Spanien hat die Beschränkungen auf kollektive Entlassungen und
unfaire Kündigungspraktiken gelockert und die Grenzen für die Erweiterung der
Zeitarbeit aufgeweicht.
Irland und Portugal haben den Mindestlohn eingefroren, während Griechenland den Mindestlohn um fast
ein Viertel gesenkt hat.
Der wilde Abbau des
Arbeitsplatzschutzes setzt sich fort, um Arbeitskosten zu verringern. Die ganze
Entwicklung trägt die Unterschrift von Angela
Merkel, der deutschen Bundeskanzlerin, die dem Dogma folgt, dass alles dem
Wettbewerbsprinzip („jeder gegen jeden“) unterworfen werden muss.
Während die politischen
Entscheidungsträger im Euro-Raum sich auf die Austeritätspolitik konzentrieren,
entfaltet die Erosion des Arbeitnehmerschutzes grosse und dauerhafte
Auswirkungen auf den europäischen Sozialvertrag, wie die New York Times hervorhebt.
Jean-Paul Fitoussi betont dazu einen verheerenden Effekt der Austerität auf den sozialen Zusammenhalt und eine enorme Wirkung auf die Ungleichheit. Der am Institut d’Etudes Politiques de Paris lehrende Wirtschaftsprofessor sagt, dass das Wohlbefinden in ganz Europa gesunken ist. Ein Symptom ist der Anstieg der extremistischen politischen Parteien.
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