Mehr als eine Million arbeitslose Amerikaner sind
gerade dabei, das grausamste Geschenk aller Weihnachtsgeschenke zu bekommen,
schreibt Paul Krugman in seiner
lesenswerten Kolumne („The Fear Economy“)
am Freitag in NYTimes.
Das Arbeitslosengeld wird gekürzt. Die Republikaner im
US-Kongress bestehen darauf, dass man, wenn man nach Monaten der Suche keinen
Arbeitsplatz gefunden hat, sich nicht genug Mühe gibt, eine neue Stelle zu
finden. Demnach braucht es einen zusätzlichen Anreiz in Form von schierer
Verzweiflung.
Das führt dazu, dass die Notlage der Arbeitslosen, die
ohnehin schrecklich ist, sich noch mehr verschlimmert. Offensichtlich sind
diejenigen, die einen Job haben, besser dran. Doch auch sie werden von der anhaltenden
Schwäche des Arbeitsmarktes tangiert.
Einige Leute denken, dass die Beschäftigung genauso
funktioniert wie jede andere Markttransaktion: Arbeitnehmer haben etwas zu
verkaufen und die Arbeitgeber wollen kaufen, was angeboten wird. Und es kommt
einfach zum Geschäftsabschluss. Dem ist es aber nicht so, unterstreicht
Krugman.
Die Tatsache ist, dass die Beschäftigung i.d.R. eine
Machtbeziehung beinhaltet: man hat einen Chef, der einem sagt, wo es lang geht.
Und wenn man sich weigert, es zu tun, wird man gefeuert. Das muss nicht
unbedingt etwas Schlimmes sein. Wenn die Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer
schätzen, fordern sie keine Zumutungen. Aber es ist eben keine einfache
Transaktion.
Die Beschäftigung ist ein Machtverhältnis. Und die
hohe Arbeitslosigkeit hat die bereits schwache Position der Arbeitnehmer in
dieser Beziehung weiter geschwächt. Die Schwäche kann mit Blick auf die
Kündigungsrate (quits rate) tatsächlich
quantifiziert werden. Es ist der prozentuale Anteil der Arbeitnehmer, die pro
Monat ihren Arbeitsplatz freiwillig (im Gegensatz dazu, gefeuert zu werden) verlassen.
Es mag verschiedene Gründe dafür geben, dass ein Arbeitnehmer seinen Job freiwillig
aufgibt. Aber es ist eine riskante Angelegenheit. Es sei denn, der Arbeitnehmer
hat bereits eine neue Stelle in Vorbereitung.
Quits: Freiwillige Aufgabe von Stellen, Graph: Prof. Paul Krugman
Das Risiko, eine Stelle aufzugeben, ist daher viel grösser,
wenn die Wirtschaft schwer angeschlagen ist. Und es gibt viel mehr Menschen, die eine
Stelle suchen, als Stellen, die verfügbar sind. Die Selbstkündigungen steigen deshalb
in den Boom-Phasen der Wirtschaft. Und sie fallen, wenn die Wirtschaft in einer
Rezession steckt.
Die Aufgabe von Stellen ist während der Rezession von
2007-09 in der Tat stark zurückgegangen.
Eine Erholung hat nur teilweise stattgefunden, was nahelegt,wie schwach und
unzulänglich die Erholung der Wirtschaft ist.
Man denke nun daran, was es aus Sicht der
Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer bedeutet. Ist die Wirtschaft stark, werden
Arbeitnehmer gestärkt. Sie können die Stelle aufgeben, wenn sie unzufrieden
damit sind, wie sie behandelt werden und wissen, dass sie schnell wieder eine
neue Stelle finden können, wenn sie entlassen werden. Ist die Wirtschaft aber
schwach, haben die Arbeitnehmer eine schwache Hand. Und die Arbeitgeber sind in
einer Position, die Arbeitnehmer härter arbeiten zu lassen und weniger zu
entlohnen, oder beides.
Gibt es heute Hinweise darauf? Und wie! Die Erholung
der Wirtschaft ist schwach. Aber die Last der Schwäche wird von den Arbeitnehmern
getragen. Die Unternehmensgewinne sind während der Finanzkrise abgestürzt. Und
sie haben sich danach schnell wieder erholt und steigen kräftig weiter. Im
Vergleich zum Anfang der Rezession von 2007 sind Gewinne nach Steuern um mehr als 60% gestiegen. Es ist
ungewiss, wieviel davon auf den Faktor Angst zurückzuführen ist, d.h. die
Fähigkeit, aus der Notlage der Arbeitnehmer Vorteile zu ziehen. Aber es erklärt
einen Teil des Geschehens. Es sieht in der Tat so aus, wie wenn Interessen von
Unternehmen in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft besser bedient wären als
wenn die Wirtschaft Vollbeschäftigung hätte.
Es wäre daher nicht übertrieben, anzunehmen, dass das
politische System den Arbeitslosen den Rücken gekehrt hat. Die Wirtschaft mag
aus Sicht der Arbeitnehmer lausig sein. Aber Amerikas Konzerne kommen gut
voran.
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