Freitag, 27. Dezember 2013

Amerikas Unternehmen kommen trotz Arbeitslosigkeit gut voran

Mehr als eine Million arbeitslose Amerikaner sind gerade dabei, das grausamste Geschenk aller Weihnachtsgeschenke zu bekommen, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Fear Economy“) am Freitag in NYTimes.

Das Arbeitslosengeld wird gekürzt. Die Republikaner im US-Kongress bestehen darauf, dass man, wenn man nach Monaten der Suche keinen Arbeitsplatz gefunden hat, sich nicht genug Mühe gibt, eine neue Stelle zu finden. Demnach braucht es einen zusätzlichen Anreiz in Form von schierer Verzweiflung.

Das führt dazu, dass die Notlage der Arbeitslosen, die ohnehin schrecklich ist, sich noch mehr verschlimmert. Offensichtlich sind diejenigen, die einen Job haben, besser dran. Doch auch sie werden von der anhaltenden Schwäche des Arbeitsmarktes tangiert.

Einige Leute denken, dass die Beschäftigung genauso funktioniert wie jede andere Markttransaktion: Arbeitnehmer haben etwas zu verkaufen und die Arbeitgeber wollen kaufen, was angeboten wird. Und es kommt einfach zum Geschäftsabschluss. Dem ist es aber nicht so, unterstreicht Krugman.

Die Tatsache ist, dass die Beschäftigung i.d.R. eine Machtbeziehung beinhaltet: man hat einen Chef, der einem sagt, wo es lang geht. Und wenn man sich weigert, es zu tun, wird man gefeuert. Das muss nicht unbedingt etwas Schlimmes sein. Wenn die Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer schätzen, fordern sie keine Zumutungen. Aber es ist eben keine einfache Transaktion.

Die Beschäftigung ist ein Machtverhältnis. Und die hohe Arbeitslosigkeit hat die bereits schwache Position der Arbeitnehmer in dieser Beziehung weiter geschwächt. Die Schwäche kann mit Blick auf die Kündigungsrate (quits rate) tatsächlich quantifiziert werden. Es ist der prozentuale Anteil der Arbeitnehmer, die pro Monat ihren Arbeitsplatz freiwillig (im Gegensatz dazu, gefeuert zu werden) verlassen. Es mag verschiedene Gründe dafür geben, dass ein Arbeitnehmer seinen Job freiwillig aufgibt. Aber es ist eine riskante Angelegenheit. Es sei denn, der Arbeitnehmer hat bereits eine neue Stelle in Vorbereitung.



Quits: Freiwillige Aufgabe von Stellen, Graph: Prof. Paul Krugman


Das Risiko, eine Stelle aufzugeben, ist daher viel grösser, wenn die Wirtschaft schwer angeschlagen ist. Und es gibt viel mehr Menschen, die eine Stelle suchen, als Stellen, die verfügbar sind. Die Selbstkündigungen steigen deshalb in den Boom-Phasen der Wirtschaft. Und sie fallen, wenn die Wirtschaft in einer Rezession steckt.

Die Aufgabe von Stellen ist während der Rezession von 2007-09  in der Tat stark zurückgegangen. Eine Erholung hat nur teilweise stattgefunden, was nahelegt,wie schwach und unzulänglich die Erholung der Wirtschaft ist.

Man denke nun daran, was es aus Sicht der Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer bedeutet. Ist die Wirtschaft stark, werden Arbeitnehmer gestärkt. Sie können die Stelle aufgeben, wenn sie unzufrieden damit sind, wie sie behandelt werden und wissen, dass sie schnell wieder eine neue Stelle finden können, wenn sie entlassen werden. Ist die Wirtschaft aber schwach, haben die Arbeitnehmer eine schwache Hand. Und die Arbeitgeber sind in einer Position, die Arbeitnehmer härter arbeiten zu lassen und weniger zu entlohnen, oder beides.

Gibt es heute Hinweise darauf? Und wie! Die Erholung der Wirtschaft ist schwach. Aber die Last der Schwäche wird von den Arbeitnehmern getragen. Die Unternehmensgewinne sind während der Finanzkrise abgestürzt. Und sie haben sich danach schnell wieder erholt und steigen kräftig weiter. Im Vergleich zum Anfang der Rezession von 2007 sind Gewinne nach Steuern um mehr als 60% gestiegen. Es ist ungewiss, wieviel davon auf den Faktor Angst zurückzuführen ist, d.h. die Fähigkeit, aus der Notlage der Arbeitnehmer Vorteile zu ziehen. Aber es erklärt einen Teil des Geschehens. Es sieht in der Tat so aus, wie wenn Interessen von Unternehmen in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft besser bedient wären als wenn die Wirtschaft Vollbeschäftigung hätte.

Es wäre daher nicht übertrieben, anzunehmen, dass das politische System den Arbeitslosen den Rücken gekehrt hat. Die Wirtschaft mag aus Sicht der Arbeitnehmer lausig sein. Aber Amerikas Konzerne kommen gut voran.

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