Montag, 23. Mai 2011

Provoziert die EZB eine neue Finanzkrise?

Die Pain Caucus hat seit mehr als einem Jahr die Kontrolle in Europa, darauf bestehend, dass sound money und ausgeglichene Haushalte die Antwort auf alle Probleme sind. Hinter dieser Beharrlichkeit stehen wirtschaftliche Phantasien, insbesondere der Glaube an Vertrauen Fee (confidence fairy). Das heisst, der Glaube, dass Kürzung der Ausgaben tatsächlich Arbeitsplätze schaffen werde, weil fiskalische Sparmassnahmen (fiscal austerity) das Vertrauen im Privatsektor festigen würden, beschreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Montagskolumne („When Austerity Fails“) in NYT.

Leider weigert sich die Vertrauen Fee, sich zu zeigen. Und ein Wortwechsel darüber, wie die unbequeme Realitität, die Europa bedroht, anzugehen ist, ist der Unruheherd einer neuen Finanzkrise, legt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) dar.

Nach der Einführung des Euro im Jahr 1999 haben die europäischen Länder, die zuvor als risikoreich betrachtet wurden und daher limitiert Kredit aufnehmen konnten, begonnen, einen starken Zustrom an Kapital zu erleben. Immerhin dachten Investoren offenbar, dass Griechenland, Portugal, Irland und Spanien Mitglieder der Währungsunion waren. Was könnte also schief gehen?

Die Antwort auf diese Frage ist jetzt natürlich offentsichtlich schmerzlich. Was ist zu tun? Europäische Staats- und Regierungschefs bieten Notkredite an die Länder in Krise an, aber nur im Austausch gegen wilde Sparprogramme, die hauptsächlich aus riesigen Ausgabenkürzungen bestehen, erläutert Krugman.

Aber Europas schuldengeplagte Länder leiden, wie zu erwarten gewesen wäre, weiteren wirtschaftlichen Niedergang durch die rigorosen Sparmassnahmen (austerity programs) und das Vertrauen sinkt, statt zu steigen. Es ist nun klar, dass Griechenland, Irland und Portugal ihre Schulden nicht in vollem Umfang werden zurückzahlen können, obwohl Spanien sich zähe herausretten könnte, argumentiert der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Realistisch betrachtet muss Europa sich auf eine Art Schuldenabbau gefasst machen, einschliesslich einer Kombination von Beihilfen von finanzstarken Volkswirtschaften und „haircuts“ (Sicherheitsabschläge) für private Gläubiger. Realismus scheint jedoch Mangelware zu sein.

Auf der einen Seite verfolgt Deutschland eine harte Linie für seine unruhigen Nachbarn, auch wenn eine wichtige Motivation für das laufende Rettungsprogramm ein Versuch war, deutsche Banken vor Verlusten zu schützen.

Auf der anderen Seite handelt die EZB, als ob sie entschlossen wäre, eine Finanzkrise auszulösen. Die EZB hat begonnen, trotz des schrecklichen Zustands vieler europäischen Volkswirtschaften die Zinsen zu erhöhen. Und die EZB-Vertreter warnen vor jeder Form von Schuldenerlass.

Wenn griechische Banken zusammenbrechen, dürfte Griechenland gezwungen werden, die Eurozone zu verlassen. Und es ist nur allzu leicht, zu sehen, wie Dominosteine in weiten Teilen Europas beginnen würden, zu fallen. Was denkt also die EZB?

Krugman vermutet, dass sie nicht gewillt ist, dem Scheitern ihrer Phantasien ins Gesicht zu sehen. Und wenn sich das unglaublich dumm anhört, nun ja, wer hat schon mal gesagt, dass die Weisheit die Welt regiert?


PS: Ich habe „Pain Caucus“ frei als „Aktionsgemeinschaft Schmerz“ übersetzt. Siehe hier und hier.




Keine Kommentare: