Mark Thoma macht in seinem Blog auf einen lesenswerten Beitrag („The mathematics generation gap“) von Frances Woolley in Worthwhile Canadian Initiative aufmerksam. „Vielleicht regen sich meine Studenten aus diesem Grund auf, wenn ich in den Prüfungen keinen Taschenrechner erlaube“, bemerkt Thoma.
Woolley befasst sich nämlich mit dem Stellenwert der Mathematik zwischen Generationen. "Einige Stundenten ringen mit der Volkswirtschaftslehre, weil sie die mathematischen Werkzeuge, die die Ökonomen verwenden, nicht vollständig verstehen. Professoren wissen nicht, wie ihre Studenten Mathematik gelernt haben, was ihre Studenten wissen und was nicht. Und sie haben daher keine Idee, wie sie ihren Studenten helfen können, diese Lücken zu schliessen", unterstreicht die an der Carleton University lehrende Wirtschaftsprofessorin.
Die arithmetische Lücke ist offensichtlich: Professoren ab einem gewissen Alter (und einige eingewanderten Professoren) sind im Kopfrechnen geübt. Und Studenten unter einem bestimmten Alter nicht. Einige Auswirkungen der Arithmetik-Lücke sind vertraut: Professoren können nicht verstehen, warum Studenten darauf beharren, Taschenrechner zu benutzen. Studenten können nicht verstehen, warum ihre Professoren so unvernünftig sind.
Ein weiterer Aspekt der Lücke im Kopfrechnen, die leicht übersehen wird, ist ihre Ausweitung über die Zeit. Taschenrechner sind ab Mitte der späten 1970er Jaher erschwinglich geworden. Studierende in den 1980er Jahren wurden von den Lehrkräften gelernt, welche Mathematik ohne Taschenrechner gelernt haben und das Grundlegende im Kopf rechnen können. Schüler von heute werden wahrscheinlcih von einem Lehrer unterrichtet, der selbst nicht fähig ist, das Ergebnis von 37+16 ohne Hilfe zu vermitteln.
Der durchschnittliche Professor ist sich wahrscheinlich dessen bewusst, wie allgegenwärtig die Taschenrechner heute in den Grundschulen und weiterführenden Schulen sind. Die Provinz Ontario erlaubt Sechstklässlern für Mathe-Test die Verwendung von Taschenrechnern jederzeit. Der Einsatz von Taschenrechnern wird durch den hohen Lehrplan sogar vorgeschrieben.
Lehrpläne der Schulen spiegeln die Gesellschaft insgesamt wider. In den 1905er Jahren wurden Fünftklässler gelehrt, auf Fragen zu antworten, wie „Joe holt ¾ Buschel von Apfel, während Jack ¼ Buschel von Apfel abholt. Wie viel mehr hat Joe abgeholt als Jack?“ Keine back-to-basics Rhetorik ändert an der Tatsache, dass die Fähigkeit, Bruchteile von Buscheln von Apfeln zu subtrahieren, als eine nutzlose Fertigkeit gilt. Heute kann ein durchschnittlicher Kanadier ein erfülltes Leben führen, ohne die Fähigkeit, $4'892,16+$5'860.03+$512,41+$8'967,35 zu berechnen. Warum sollen also solche Fähigkeiten beigebracht werden?, legt Woolley dar.
Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass tiefes Verständnis für mathematische Konzepte mit dem grundlegenden Sinn für Zahlen zu tun hat. Eine Person, die zwei Gruppen von Punkten betrachtet und schnell bestimmten kann, welche Gruppe grösser ist, ist im allgemeinen besser im abstrakten, konzeptionellen und mathematischen Denken, erläuert Woolley.
Aber vielleicht hinterlassen die Studenten, die Mühe haben, einen tieferen Eindruck bei mir, als die fachkundigen Studenten. Vielleicht habe sie den Kontakt verloren, bemerkt Woolley. Sie habe keine Ahnung, wie die Grafik-Rechner funktionieren, wie genau sie berechnen. Aber sie betrachte sie mit Argwohn, erklärt Woolley. Die Produktionsfunktion in den Grafik- Taschenrechner einzugeben und mit einem Tastendruck das Ergebnis zu erzielen, erscheint der Wirtschaftsprofessorin wie ein Betrug. Sie habe die Rechner, weil sie programmierbar sind, aus den Prüfungen verbannt.
Es gibt eine andere Lücke in Mathematik zwischen Generationen: denjenigen Studenten, die von einem Lehrplan, der graphische Taschenrechner verlangt und ermutigt, unterrichtet werden und den Professoren der alten Schule. „Aber ich weiss nicht, was Sie tatsächlich wissen und was Sie nicht wissen und ich weiss nicht, wie Sie über die grundlegenden mathematischen Konzepten unterrichten soll, die Sie benötigen, um die Wirtschaft zu verstehen.
Andere Technologien schaffen auch Lücken in Generationen. Die heutigen Stundenten führen seit ihrer frühen Jugend ein Mobiltelefon mit sich, wenn nicht seit früher. Selten tragen sie eine Uhr. Einige haben Mühe, um eine analoge Uhr zu lesen. Das Verschwinden der analogen Uhren bedeutet, dass Professoren Studierende verwirren, wenn Sie eine uhr-basierte Sprache benutzen: „ gegen den Uhrzeigersinn drehen“, „im Uhrzeigersinn drehen“ usw.
Karten sind eine weitere, schnell verändernde Technologie. Google Maps wurde 2005 ins Leben gerufen. Damals war ein Student, der heute vor dem ersten akademischen Grad steht, 11 oder 12 Jahre alt. Studierende sind daher immer in der Lage, anhand von Anweisungen von Google Maps zu steuern. Sie hätten wahrscheinlich nie zwei Punkte auf einer Karte und eine Route von dem einen Punkt zum anderen vermitteln müssen. Eingebettete Karten werden heute auch in der Volkswirtschaftslehre in ähnlicher Weise eingesetzt. Welche Arten von Verständigung gehen aber Studierenden dadurch verlustig? Was gewinnen sie dabei, wenn sie sich auf Google Maps verlassen, wenn es ums Kartenlesen geht?
Professorin Woolley bemerkt zum Schluss, dass sie noch herausfinden muss, woran die Mathematik-Lücke zwischen Generationen liegt und was die Folgen sind, bevor sie darüber schreibt, wie die Lücken zu überbrücken sind.
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