Sind automatische Haushaltskürzungen nach Vorschriften hilfreich? The Economist fragt. Die Ökonomen antworten. Hier ist der lesenswerte Beitrag von Richard Koo. „Automatische Bestimmungen zur Haushaltskürzung, welche ein nützliches disziplinarisches Werkzeug in normalen Zeiten sein mögen, sind heute die denkbar schlechteste Reaktion der Politik auf die missliche Lage in den USA und in vielen europäischen Ländern“, bemerkt der Chefökonom von Nomura Research Institute.
Diese Länder weisen Haushaltsdefizite nicht auf, weil ihre Politiker verschwenderisch gewesen sind, sondern weil ihre Volkswirtschaften zusammengebrochen sind. Warum? Weil der private Sektor in diesen Ländernd massive Schulden abbaut (de-leveraging), um ihre verwüstete Bilanzen nach dem Platzen der Immobilienkrise zu reparieren, erläutert Koo. Die Tatsache, dass diese Entschuldung (deleveraging) bei nahezu Null Zinsen stattfindet, bedeutet, dass der private Sektor in diesen Volkswirtschaften sehr krank ist und Hilfe braucht.
In diesem Umfeld ist Hilfe aus der Geldpolitik weitgehend nutzlos, weil die Leute mit negativ equity (wenn Verbindlichkeiten das Vermögen übersteigen) nicht daran interessiert sind, zu irgendeinem Zinssatz Kredit aufzunehmen. Es wird auch keine Kreditgeber geben, insbesondere, weil auch die Kreditgeber selbst mit Bilanz-Problemen ringen.
Die einzige Massnahme, die die Wirtschaft vor dem Abrutschen in eine Deflationsspirale a la Grosse Depression verhindern kann, ist, dass der Staat Kredit aufnimmt und die nicht ausgeliehenen Einsparungen im Privatsektor ausgibt. Darüber hinaus müssen Konjunkturpakete (fiscal stimulus) aufrechterhalten werden, bis die Privatwirtschaft Bilanzen repariert hat. Jeder Versuch, Haushalt zu konsolidieren, während der Privatsektor die Schulden minimiert, würde wahrscheinlich zu einem verheerenden Zusammenbruch der Wirtschaft führen, wie die japanische Erfahrung von 1997 und die amerikanische Erfahrung von 1937 umfänglich beweisen, hält Koo fest.
Die japanische Erfahrung hat zu einem negativen Wachstum mit 5 Quartalen geführt, während das Defizit um satte 68% geklettert ist. Es dauerte fast 10 Jahre, das Haushaltsdefizit auf das Niveau von 1996 zurückzubringen, mit einer zusätzlichen Verschuldung der öffentlichen Hand in Höhe von 1'000 Mrd. $, hebt Koo hervor. Japans Rezession hätte nicht so lange gedauert, wenn der Fehler von 1997 nicht gemacht worden wäre.
Automatische Haushaltskürzungen nach Vorschriften würden, wie sie heute in Washington diskutiert werden, während der Privatsektor Schulden abbaut (deleveraging) oder noch traumatisiert ist, Geld zu leihen, zu einem ähnlichen Zusammenbruch der Wirtschaft führen, legt Koo dar. Die Japaner haben versucht, viele fiskalpolitische Ziele und Vorschriften in den letzten 20 Jahren durchzusetzen. Aber alle sind ohne Ausnahme gescheitert und viele haben die Rezession durch die Verringerung der fiskalischen Flexibilität der Regierung tatsächlich verlängert.
Leider ist es fast unmöglich, Konjunkturmassnahmen (fiscal stimulus) in einer Demokratie in Friedenszeiten aufrechtzuerhalten, wie die wiederholten Versuche in Japan, das Defizit in den Griff zu bekommen und die jüngsten Wahlerfolge der Republikaner in den USA und der Konservativen in Grossbritannien zeigen, beschreibt Koo.
Bilanz-Rezessionen (balance-sheet recession), die vom Schuldenabbau (deleveraging) im Privatsektor bei rekordniedrigen Zinsen verursacht werden, sind selten. Wenn aber die Wirtschaft sich in einer Bilanz-Rezession befindet, gibt es nichts Schlimmeres als verfrühte Haushaltskonsolidierung, bekräftigt Koo als Fazit. Automatische Haushaltskürzungen nach vordefinierten Vorschriften, welche fast sicher zu einer verfrühten Haushaltskonsolidierung führen, müssen auf alle Fälle unterbunden werden.
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