Sonntag, 1. Mai 2011

Euro-Krise: Ist die Austerity ein Muss?

(Wonkish)

Steve Randy Waldman zeigt in seinem Blog auf Kindred Winecoff, der über die unruhige EU-Peripherie Überlegungen anstellt. Austerity muss erfolgen. Es ist nur eine Frage davon, wie sie auftritt. Die Alternative für eine interne Abwertung (internal devaluation) durch Lohnkürzungen, Steuererhöhungen und einen Abbau der Sozialleistungen ist externe Abwertung (external devaluation) und Zahlungsverzug (default), bemerkt der Doktorant an der University of North Carolina in seinem Blog. Nennen wir es Island Alternative: Island ist seit Sommer 2010 EU-Beitrittskandidat. Das Land, das eigene Landeswährung, nicht den Euro hat, hat im Sog der Finanzkrise seine Währung abgewertet und default erklärt. In diesem Szenario würden die neue Drachme und das irische Pfund zusammenbrechen. Und die Regierung würde an den internationalen Kapitalmärkten nicht Kapital aufnehmen können. Das ist auch Austerity, hält Winecoff fest.

Kleine offene Volkswirtschaften wie Griechenland und Irland sind stark auf Einfuhren angewiesen, um den Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Irland importiert etwa 40% des BIP (2009), und Griechenland etwa ein Drittel. Zum Vergleich importieren die USA rund 14% des amerikanischen BIPs. Würden sich die Post-Euro-Währungen in diesen Ländern um 50% abwerten, würden sich die Einfuhren um 100% verteuern.

Es wird zwar bestimmt einige Substitutionen durch die im Inland hergestellten Waren geben, aber eine so grosse Anpassung nimmt Zeit Anspruch und bedeutet Schmerzen. Zudem handelt es sich dabei nicht um grosse, diversifizierte Volkswirtschaften. Der Lebensstandard würde daher abnehmen, falls die Landeswährungen abgewertet werden müssten.

Waldman verfeinert Winecoffs Analyse, indem er darauf hinweist, dass Volkswirtschaften zwei sehr verschiedene Arten von Defiziten eingehen: ein Haushaltsdefizit und ein Leistungsbilanzdefizit. Die beiden Defizite stehen nicht in einer mechanischen Verbindung. Und sie entwickeln sich zuverlässig zusammen, beschreibt Waldman.

Ein Land, welches standardmässig einen Zahlungsverzug (default) vollbringt, wird feststellen, dass seine Schuldtitel an den internationalen Kapitalmärkten gemieden werden. Für die Länder, die es gewöhnt sind, Leistungsbilanzdefizite aufzuweisen, bedeutet eine zwangsläufige Rückkehr zum ausgeglichenen Aussenhandel zweifellos eine Form der Austerity (rigorose fiskalische Sparmassnahmen), argumentiert Waldman.

Solange das Land, nach default, seine eigene Währung begibt, und solange die Bürger des Landes daran interessiert sind, die Landeswährung zu halten (als Aktiva und Passiva), kann sich der Haushalt der öffentlichen Hand nach der Umschuldung (restructuring) auf ein Minus belaufen. Die Fähigkeit des Landes, nach der Krise ein Defizit aufzuweisen, hängt weitgehend vom Vertrauen der Bürger in die einheimischen Institutionen ab, erklärt Waldman. Die Länder können auch Kapitalverkehrskontrollen einführen, um Kapitalflucht zu verhindern und die Landeswährung zu unterstützen. Aber in kosmopolitisch und gewohnheitsmässig integrierten Europa würde es laut Waldman nicht funktionieren, es sei denn, die Menschen haben ein gewisses Mass an Vertrauen in das Projekt.

Weise Regierungen würden technokratisch glaubwürdige Kreditinstitute einführen und gleichzeitig patriotische Begeisterung für die Unabhängigkeit des Landes ermutigen, beschreibt Waldman.

Islands Umstände sind vielleicht ungewöhnlich mild gewesen. Andere Krisen (Argentinien 2002 und Russland 1998) sind mit scharfen, gleichzeitigen Bewegungen in Richtung eines ausgeglichenen Haushalts und Leistungsbilanzüberschusses verlaufen. Würden aber Krisen in der Eurozone viel mehr wie Argentinien oder Island aussehen?


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