Die Zinssätze
sind zur Zeit auf der ganzen Welt niedrig, sowohl kurzfristig als auch
langfristig. Die Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit beträgt
rund 1,96%. In Deutschland beläuft sich die Rendite mit der vergleichbaren
Laufzeit auf 0,20%. Und in der Schweiz ist sie sogar negativ.
Ben Bernanke hat neulich ein eigenes Blog lanciert. Der ehemalige Präsident der US-Notenbank (Fed) befasst sich in seinem ersten Blog-Eintrag mit der Frage, warum die Zinssätze so niedrig sind.
Niedrige
Renditen sind aber laut Bernanke keine kurzfristige Abweichung, sondern Teil
eines langfristigen Trends. Die Entwicklung der Zinsen ist i.d.R. vom Anstieg
und dem Rückgang der Inflation abhängig. Ist die Inflation hoch, verlangen die
Investoren einen höheren Zinssatz, um sich gegen die sinkende Kaufkraft zu
schützen. Heute ist aber auch die Rendite der inflationsgeschützten
Staatsanleihen (TIPS) sehr niedrig: Die Realrendite der US-Treasury Bonds mit 5
Jahren Laufzeit notiert derzeit auf minus 0,34 Prozent.
Fragt man
eine Person auf der Strasse, warum die Zinsen heute so niedrig sind, bekommt
man als Antwort, dass es die Fed sei, die die Zinsen niedrig halte. Es ist zwar richtig, dass die Fed die kurzfristigen Zinsen festlegt: Die Fed-Politik ist
die primäre Determinante der Inflation und der Inflationserwartungen über einen
längeren Zeitraum, wie Bernanke hervorhebt.
Worauf es aber
für die Wirtschaft ankommt, ist der Realzins
(d.h. um die Inflation bereinigte Zinssatz). Am wichtigsten ist der Realzins
für Investitionsentscheidungen.
US Zinsen und
Inflation, Graph: Prof. Ben Bernanke
Die
Fähigkeit der Fed, die Realzinsen zu beeinflussen, insbesondere längerfristige Realzinsen ist kurzlebig
und begrenzt. Abgesehen von der kurzen Frist werden die Realzinsen durch eine
breite Palette von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt, einschliesslich der
Aussichten für das Wirtschaftswachstum , nicht durch die Fed, so der
Wirtschaftsprofessor weiter.
Warum das so
ist, erklärt Bernanke anhand des Wicksellschen
Konzepts. Der equilibrium real interest
rate ist der Realzins, der mit der Vollbeschäftigung der Arbeits- und
Kapitalressourcen übereinstimmt, vielleicht nach einiger Zeit der Anpassung.
Viele
Faktoren beeinflussen den Gleichgewichtszinssatz (equilibrium rate),
der sich im Lauf der Zeit ändern kann. In einer schnell wachsenden, dynamischen
Wirtschaft ist ein hoher Gleichgewichtszinssatz zu erwarten, was die Aussichten
auf hohe Erträge von Kapitalanlagen widerspiegelt. In einer schwach wachsenden
oder rückläufigen Wirtschaft hingegen ist ein tiefer Gleichgewichtszinssatz zu
erwarten, da die Investitionsmöglichkeiten begrenzt sind und relativ unrentabel
bleiben.
Wenn die Fed
die Vollbeschäftigung von Kapital- und Arbeitressourcen anstrebt, setzt sie
sich dafür ein, dass die Zinsen sich auf das gewünschte Niveau hinbewegen. Der
Gleichgewichtszinssatz ist jedoch direkt nicht beobachtbar und muss daher
geschätzt werden.
Würde die Fed
die Marktsätze beharrlich zu hoch halten, im Verhältnis zum Gleichgewichtszinssatz
(der natürliche Zins), würde sich das Wirtschaftswachsum verlangsamen und die
Wirtschaft vielleicht in eine Rezession geraten, weil Investitionen und Konsum
von langlebigen Gütern nicht attraktiv wären, weil die Kosten für die
Kreditaufnahme die möglichen Erträge übersteigen würden.
Ebenso,
würde die Fed die Marktsätze zu niedrig drücken, unter den Wert des Gleichgewichtszinssatzes,
käme es zu Überhitzung der Wirtschaft, was Inflation auslösen würde, was eine unhaltbare
und unerwünschte Situation wäre.
Die Quintessenz
ist, dass der Zustand der Wirtschaft, nicht die Fed letztlich die reale Zinssätze
bestimmt, die von Sparern und Investoren erlangbar ist. Wenn aber Rentner und
Sparer nachhaltig höhere Realrenditen anstreben, dann wäre es genau die falsche
Politik, wenn die Fed die Zinsen vorzeitig erhöhen würde.
Die träge
Entwicklung der Wirtschaft in den vergangenen Jahren deutet laut Bernanke darauf
hin, dass der Gleichgewichtszinssatz aussergewöhnlich niedrig gewesen ist, ja
zum Teil sogar negativ.
Eine
vorzeitige Zinserhöhung durch die Fed würde nach kurzer Zeit zu einer
konjunkturellen Abkühlung führen und damit niedrige Renditen auf Kapitalanlagen
hervorrufen. Die sich abschwächende Konjunktur würde die Fed zwingen, die Zinsen
wieder zu senken. Das ist kaum ein hypothetisches Szenario. In den letzten
Jahren haben einige wichtige Zentralbanken die Zinsen vorzeitig angehoben und
damit die Wirtschaft geschwächt. Dann sahen sie sich veranlasst, den falschen
Zinsschritt wieder zu korrigieren, durch Senkung, so Bernanke.
Das ist
sicherlich ein Wink mit dem Zaunpfahl (ein weiterer hier) in Richtung Europa, wo die EZB (April und Juli 2011) und die Riksbank (2010 und 2011) die Zinsen vorzeitig erhöht und nach der
Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage wieder gesenkt haben.
Es ist
letztlich der Stand der Wirtschaft, nicht die US-Notenbank, der das nachhaltige
Niveau der Realzinsen bestimmt, so Bernanke als Fazit.
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