Wenn die
Zentralbank die Geldpolitik so lockert, um die Wirtschaft aus der Rezession zu
holen, dass die Nominalzinsen an die Nullgrenze (zero lower bound) geraten, verliert das herkömmliche Instrument der Zentralbank
an Zugkraft.
Deshalb
greifen moderne Notenbanken auf unkonventionelle Massnahmen zurück, um die
Wirtschaft weiter anzukurbeln. Eins davon macht heute viel von sich reden: Quantitative Easing (QE); d.h. die
mengenmässige Lockerung der Geldpolitik.
Erholt sich
die Wirtschaft nicht, hält die Zentralbank am Kurs der QE-Politik fest. Zinsen
fallen allmählich unter Null: Negative Zinsen auf Guthaben der Geschäftsbanken auf den Girokonten bei der Zentralbank, negative
Refinanzierungssätze, negative Renditen der
Staatsanleihen, ja sogar negative Hypothekenzinsen
ergeben sich.
Während in
diesen Tagen immer öfters die Frage
aufgeworfen wird, wie negativ Zinsen noch werden können, rückt damit auch die Theorie der Nullzinsgrenze ins Zentrum.
Einer der
prominentesten Vertreter dieser Theorie ist Paul Krugman. Der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor
vertritt nun im Angesicht der aktuellen Entwicklung in den Finanzmärkten die Meinung, dass die Nullzinsgrenze nicht Null,
sondern x-Minus Nullzinsgrenze ist.
Leitzinsen
der ausgewählten Zentralbanken in grossen Volkswirtschaften, Graph: Greg Ip in WSJ („How far below zero can interest
rates go?“)
Denn die
Nullzinsgrenze ist nur dann bindend, wenn es keine Kosten für die Lagerung und
Sicherung gibt. Das ist natürlich nicht der Fall. Denn die Lagerung und
Sicherung kostet etwas. Deshalb ist die Nullzinsgrenze nicht gleich Null.
Die Bindung
(d.h. Einschränkung) beginnt also nicht bei Null, sondern etwas darunter. Nach Cecchetti und Schoenholtz Schätzung beläuft sich „x“ auf rund minus 0,50%, d.h. geringer
als eins.
Die Theorie
der Nullzinsgrenze (zero lower bound theory) nimmt nämlich an, dass das meiste Geld in Form von
nicht handelbaren (non-tradeable)
Instrumenten wie z.B. Bankeinlagen gehalten wird. Ein Guthaben auf dem
Bankkonto hat einen „Ertrag“ wie der Nennwert. Wenn ein negativer Zinssatz von
minus 0,20% darauf erhoben wird, nimmt der Nominalwert ab. Das meiste Geld wird
aber heute nicht in dieser Form gehalten, wie Frances Coppola heute in einem lesenswerten Artikel in FT beschreibt. Das meiste Geld wird als handelbare Instrumente (tradeable) gehandhabt. Und der Ertrag
darauf reflektiert den Preis.
Bonds werden
i.d.R. mit einem Abschlag zum
Nennwert gehandelt. Am Ende der Laufzeit werden sie zu 100% ausgezahlt. Wenn
eine Anleihe aber eine negative Rendite aufweist, heisst es, dass sie mit einem
Aufschlag zum Nennwert gehandelt
wird.
Dies
wiederum wirkt sich auf die Entscheidung der Anleihe-Investoren aus. Das
bedeutet aber nicht, dass die Investoren deshalb auf andere Anlagewerte
ausweichen würden, die keinen Ertrag abwerfen, nach dem Motto, besser keinen
Ertrag als Negativ-Rendite. Denn für die Investoren ist nicht unbedingt die
Rendite zum Zeitpunkt des Kaufes entscheidend, sondern die künftige Entwicklung
der Rendite. Diese ist wiederum abhängig von den Inflationserwartungen und der
Politik der Zentralbank.
Wenn die
Erwartungen dahingehend sind, dass die Inflation weiter fällt, und die Zentralbank in den Markt eingreift, um
den weiteren Rückgang der Inflation (bzw. die Deflationsgefahr) zu unterbinden,
werden die Renditen weiter fallen. Da kann es sich lohnen, die Anleihe trotz der
Negativ-Rendite zu kaufen, weil man die Anleihe zu einem späteren Zeitpunkt mit
einem Kursgewinn verkaufen kann. Daraus
folgt, dass die Nullzinsgrenze für die Anleihemärkte nicht bindend ist.
Das heisst,
dass der Kontoinhaber die Einlagen (v.a. in einem deflationären Umfeld in einer
schwer angeschlagenen Wirtschaft) nicht als Zahlungsmittel, sondern als Mittel
für Lagerung und Sicherung hält.
PS:
Jérémie Cohen-Setton fasst die interessantesten Beiträge aus der Blogosphäre hier im Bruegel Blog zusammen. Lesenswert.
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