Dienstag, 17. März 2015

Weltanschauungen und Niedrigzinsen

Die Niedrigzinsen machen nicht nur langfristige Geldanlagen wenig attraktiv, sondern verhindern auch Wirtschaftswachstum, sagt Bill Gross, der amerikanische Fondsmanager.

Das heisst, dass die Niedrigzinspolitik demnach (1) eine Gefahr für langfristige Investoren wie Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen darstelle, und (2) die Sparer, die um die Erträge ihrer Ersparnisse gebracht würden, in eine Notlage geraten lasse. Schliesslich lebe Kapitalismus von der Aussicht auf eine Rendite.

Das ist natürlich völlig aus der Luft gegriffen.  Es ist nicht die Geldpolitik der Notenbanken, sondern die von einer bestimmten Weltanschauung geprägte Wirtschaftspolitik, die Unsicherheiten schafft und Vermögenspreis-Blasen fördert.

Wer hat eine Welt geschaffen, in der niedrige Zinsen nur zu Spekulation führen und nicht zu Investitionen? Wer hat denn die Regulierungen beseitigt, um den Banken den Weg in die Finanzmärkte freizumachen? Waren das die Notenbanken oder waren es die Parlamente? Wer hat die Arbeitsmärkte „liberalisiert“, so dass heute niedrige Zinsen keine positiven Einkommens- und Nachfrageerwartungen schaffen können? So lautet die lesenswerte Stellungnahme von Heiner Flassbeck dazu in seinem Blog.


Investoren haben in Staatsanleihen mit Negativ-Renditen v.a. in Europa inzwischen mehr als 2‘000 Mrd. USD gesteckt, Graph: FT


Es ist die Wirtschaft, nicht die Niedrigzinsen, die verzerrend wirkt. Menschen wollen mehr (als sonst) sparen. Wenn nicht investiert wird, fallen die Zinsen, schreibt Matt O’Brien in einem lesenswerten Artikel in WaPo. Die Fed hat zwar die kurzfristigen Zinsen so viel wie möglich gesenkt und drückt die  langfristigen Zinsen durch Ankauf von Anleihen. Aber es ist eine Tatsache, dass die Zinsen nicht unter Null gesentk werden können.

Mit der QE-Politik wollen die Notenbanken genau dies nachholen. Das heisst, dass die Notenbanken versuchen, das Problem der Nullzinsgrenze (zero lower bound) loszuwerden. Die EZB bemüht sich zur Zeit, mit dem Kauf von Anleihen, die Verzerrung, die aus der Nullzinsgrenze ausgeht, auszuloten.

Der Fehler, den die berühmten Wall Street Ökonomen machen, betrifft hingegen die Kausalität: sie scheinen zu denken, dass niedrige Zinsen die Wirtschaft vermasseln. Die Niedrigzinsen sind aber da, um die schwer angeschlagene Wirtschaft wieder auf den Vordermann zu bringen. Wenn sich die Niedrigzinsen in der Seele der Verbraucher und Unternehmen tief verwurzeln, wird es für die Politik schwer, sie von dort wieder zu entfernen. Denn es kommt auf die Erwartungen an. Und es sind die Erwartungen von Niedriginflation, die die Niedrigzinsen rechtfertigen, nicht die Niedrigzinsen selbst.

Die modernen Notenbanken bemühen sich heute deshalb (mittlerweile seit sechs Jahren) mit Hilfe von unkonventionellen Instrumenten  (wie z.B. forward guidance) auf die Erwartungen Einfluss zu nehmen. Warum wird aber Fiscal Stimulus nicht eingesetzt, wenn die Geldpolitik auf der Nullzinsgrenze an Zugkraft verliert und die Notenbanken trotzdem daran festhalten? Das ist eben das Ergebnis der dogmatischen Weltanschauung in Europa, die wider besseren Wissens auf Fiscal Austerity setzt, während Human Capital in Millionenhöhe verschwendet wird.

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