Montag, 16. Februar 2015

Griechenland und Lehren aus der Geschichte

Wenn wir über die Politik, die wir in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft brauchen, reden, entgegnet jemand sicher mit dem Gespenst von Weimar Deutschland, angeblich als ein Lehrbeispiel für die Gefahren der Haushaltsdefizite und der lockeren Geldpolitik, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Weimar on the Aegean“) am Montag in NYTimes.

Aber die Geschichte von Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg wird fast immer auf eine merkwürdige Art und Weise selektiv zitiert. Wir hören endlos viel über die Hyperinflation von 1923, als Menschen mit Schubkarren voller Geld herum fuhren. 

Aber wir hören nie etwas über die viel relevantere Deflation der früheren 1930er Jahre, als die Regierung von Kanzler Brüning versucht hat, Deutschlands Bindung am Goldstandard mit der Politik des knappen Geldes und harscher Austerität zu verteidigen, so der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor.

Was ist aber damit, was vor der Hyperinflation geschehen ist, als die siegreichen Allierten versucht hatten, Deutschland zu zwingen, hohe Reparationen zu zahlen? Am Ende, und zwangsläufig, blieb die Summe der von Deutschland eingesammelten Gelder weit hinter den Forderungen der Allierten zurück. 

Aber der Versuch, Tribut einzufordern, (unglaublich, dass Frankreich das Ruhrgebiet, das industrielle Herz Deutschlands überfallen und besetzt hatte, um die Zahlungen zu extrahieren) hat deutsche Demokratie verkrüppelt und die Beziehungen zu seinen Nachbarn vergiftet, schildert Krugmann weiter.

Das bringt uns zu der Konfrontation zwischen Griechendland und seinen Gläubigern. Griechenland kann seine Schulden in voller Höhe nicht zahlen. Die Austerität hat seine Wirtschaft zerstört so wie die militärische Niederlage Deutschland verwüstet hat.


Griechenland und Lehren aus der Geschichte, GraphProf. Paul Krugman in NYTimes


Trotz dieser Katastrophe bedient Griechenland seine Gläubiger mit rund 1,5% des BIP (primary surplus). Und die neue griechische Regierung ist bereit, weiterhin einen Überschuss zu erwirtschaften. Was sie nicht bereit ist, die Forderung der Gläubiger nach der Verdreifachung des Überschusses zu erfüllen.

Was wäre, wenn Griechenland versuchen würde, solch hohe Überschüsse (primary budget surplus) zu erzeugen? Es müsste Staatsausgaben weiter kürzen. Das wäre aber laut Krugman nicht das Ende der Story. Ausgabenkürzungen trieben Griechenland bereits in eine tiefe Depression. Und weitere Kürzungen der Ausgaben der öffentlichen Hand würde die Depression nur weiter vertiefen.

Was wäre, wenn Griechenland sich weigern würde, Zahlungen nachzukommen? Nun, europäische Nationen des 21. Jahrhunderts setzen nicht Armeen ein, um Zahlungen einzutreiben, so Krugman. Aber es gibt andere Formen der Nötigung: Wir wissen nun, dass die EZB im Jahr 2010 in der Tat gedroht hat, das irische Bankensystem zusammenbrechen zu lassen, falls Dublin das Programm des IWF nicht annehmen würde.

Die Bedrohung durch etwas Ähnliches hängt auch heute implizit über Griechenland, obwohl Krugman hofft, dass es nicht dazu kommt.

Europäische Gläubiger sollten jedenfalls einsehen, dass die Flexibilität, der griechischen Wirtschaft eine Chance zu geben, sich zu erholen, in ihrem eigenen Interesse ist. 

Es kann sein, dass sie die neue linke Regierung nicht mögen. Aber es ist eine ordnungsgemäss gewählte Regierung, deren Führungskräfte sich aufrichtig demokratischen Idealen bekennen. Europa könnte es noch schlimmer veranstalten, und wenn die Gläubiger rachsüchtig sind, wird es auch so weit kommen, schlussfolgert Krugman aus den aktuellen Ereignissen.


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