Während
Inflation in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften seit geraumer Zeit um die
Null-Marke schwankt, sind Nominal-Zinsen längst negativ. Die reflexartige
Reaktion, Notenbanken die Schuld für negative Zinsen am Markt in die Schuhe zu
schieben, mag einem leicht fallen.
Die
Notenbanken sind aber hierbei nicht die Schurken, sondern eher die Opfer eines
unvorteilhaften Ausblicks der konjunkturellen Entwicklung in den kommenden
Jahren. Die theoretische Basis dazu liefert die „secular stagnation“-These. Auch wenn die
nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound), sieht sich die Wirtschaft
einer anhaltend mangelhaften Nachfrage gegenüber.
Robert Shiller schreibt in einem lesenswerten Artikel („Anxiety and Interest Rates“) am Sonntag in
NYTimes, dass Angst und Unsicherheit auf Menschen lasten, obwohl die Wirtschaft
doch etwas wachse. Ein Teil der Angst sei durch negative Auswirkungen von
Fortschritten in der Informationstechnologie (IT) begründet: Technologische
Entwicklung vernichte Arbeitsplätze. Auch Menschen mit mässig hohen Einkommen hätten
heute laut Shiller einen Grund, unsicher zu werden.
Der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor
erwähnt in diesem Zusammenhang auch die „psychischen Kosten der wachsenden
Einkommensungleichheit“.
Seiner Ansicht
nach gebe es eine echte, wenn auch noch unbewiesene, Verbindung zwischen weit
verbreiteten Ängsten und der seltsamen Dynamik der wirtschaftlichen Welt: eine
Verbindung, die hilft, zu erklären, warum die Zinsen, nicht nur kurzfristig,
sondern auch langfristig zu niedrig sind und warum die Börsenkurse in manchen
Ländern so hoch klettern und warum die Immobilienpreise in vielen Orten so
stark gestiegen sind.
Wenn es eine
ungewöhnliche Unsicherheit über die Zukunft gibt und wenn nicht genügend neue
Business-Initiativen gefunden werden können, um das Angebot an guten
Investitionen zu erhöhen, wetteifern Menschen um bestehende Vermögenswerte.
Unsicherheiten
können auf die Preise von Vermögenswerten Einfluss nehmen, durch einen
wichtigen indirekten Kanal: Regierungspolitik. Regierungen nehmen Kredit auf in
einem verzweifelten Versuch, um unzufriedene Wähler zu besänftigen,
argumentiert Shiller. Kreditexpansion kann Immobilien-Blasen auslösen und eine
Illusion von Wohlstand für viele Menschen, zumindest für eine Weile. Die Idee
ist: „let them eat credit“ ("Ernähre die
Menschen mit Kredit").
Die
steigende Angst über unser Leben in der Wirtschaft und über den Zustand der
Märkte legt nahe, dass wir etwas mehr Substantielles als Kreditexpansion brauchen,
um eine Abhilfe zu schaffen. Wir müssen alle über den zugrunde liegenden
Mechanismus zur Entstehung von individueller Unsicherheit und Ungleichheit
nachdenken. Wir müssen Finanz- und Versicherungspläne schmieden, um mit dem,
was uns bevorsteht, fertig zu werden, so Shiller als Fazit.
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