Ohne die
Austeritätspolitik (fiscal austerity)
wäre die Produktionslücke (output gap)
heute in den USA, Grossbritannien und der Eurozone nicht negativ, sondern
positiv, schreibt Simon Wren-Lewis
in seinem Blog.
Eine
wichtige Frage ist aber, ob die Schätzungen des Produktionspotenzials wirklich
unabhängig vom gegenwärtigen Pfad der tatsächlichen Produktion (output) sind?
In einer
stilisierten Betrachtung der Makroökonomie sind die beiden voneinander
unabhängig. Produktionspotenzial berechnet sich daraus, wie viel wir
produzieren können, wenn Arbeit und Kapital voll im Einsatz sind, und zwar durch
die Verwendung der Technologie, die wiederum von den gegenwärtigen und den
vergangenen Niveaus der Produktion unabhängig ist, unterstreicht der an der Oxford University lehrende
Wirtschaftsprofessor.
Die
stilisierte Ansicht von der Makroökonomie mag aber aus einer Vielzahl von Gründen
falsch sein, dass z.B. die Arbeitnehmer, die lange arbeitslos sind, als
unqualifiziert betrachtet werden, und dass es für Unternehmen, die in einer
Rezession gezwungen sehen, Investitionen zurückzustellen, eine Menge Zeit in
Anspruch nehmen kann, produktive Kapazitäten wiederaufzubauen.
In normalen
Zeiten von konjunkturellen Auf- und Abschwüngen dürfte es auf diese Prozesse
nicht besonders viel ankommen. Nach einer schweren Rezession sind sie jedoch
von grosser Bedeutung. Internationale Organisationen wie die OECD und der IWF haben seit der Great Recession ihre Schätzungen von
Produktionspotenzial nachunten korrigiert.
US-Wirtschaft
(BIP) mit und ohne Austerität, Graph:
Prof. Simon Wren-Lewis in: voxeu
Je grösser die
Rezession ist, desto grösser ist der Rückgang des Produktionspotenzials. Es ist
demnach wahrscheinlich, dass Schätzungen des Produktionspotenzials stark von
der Höhe der tatsächlichen Produktion beeinflusst werden, hebt Wren-Lewis
hervor.
Wenn die
Wirtschaft in der Lage ist, mehr herzustellen, warum ist die Nachfrage so
schwach, während die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound)?
Unabhängig
davon, dass multiple Gleichgewichte möglich sind, ist es wichtig, in Erinnerung
zu rufen, dass der private Verbrauch die grösste Komponente der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ist. Und der Konsum ist von dem erwarteten
Einkommen abhängig, welches wiederum von der tatsächlichen Produktion abhängen
kann.
Daraus
folgt, dass die Makroökonomie laut Wren-Lewis dazu neigt, sich selbst
erfüllende hier) zuzulassen.
Die
(konventionelle) Geldpolitik verliert aber an der Nullzins-Grenze (zero lower bound) an Zugkraft, v.a. in
einer Welt mit inflation targeting,
d.h. wenn Zentralbanken eine bestimmte Zielinflation (i.d.R. um 2%) anstreben. Fallende
Inflation wird aber in einer Depression zu einer Belastung. Arbeitnehmer werden
längerfristig arbeitslos. Wenn Löhne gekürzt werden, bleibt auch die
mangelhafte Nachfrage länger bestehen; der Markt korrigiert sich also nicht
selbst.
Wenn die
Notenbanken und Regierungen ihre Prognosen in Bezug auf das langfristige
Produktionsniveau stetig überarbeiten, ist es kein Wunder, dass auch die
Verbraucher bei stagnierenden und/oder fallenden Reallöhnen eigene Schätzungen
in Bezug auf ihr langfristiges Einkommen revidieren und damit das
Konsumverhalten (nach unten) anpassen. Auf diese Weise scheint sich die
Nachfrage, wie Wren-Lewis darlegt, mit einer pessimistischen Ansicht von langfristigem
Angebot zu decken.
Es hat also
keinen Sinn, sich zurückzulehnen und zu denken, dass die Zentralbanken die
Zielinflation nur vorübergehend unterlaufen und daher nichts unternommen werden
sollte. Unter diesen Umständen ist es sogar fatal, weiterhin am unvorteilhaften
Kurs der Austerität festzuhalten. Probleme auf der Nachfrage-Seite lassen sich
mit Massnahmen (Struktur-Reformen) auf der Angebot-Seite nicht bekämpfen.
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