Donnerstag, 3. Oktober 2013

Produktivitätswachstum als Zombie-Idee

Wenn Unternehmen plötzlich über Produktivitätswachstum reden, meinen sie meistens, dass die Belegschaft härter arbeiten muss, mit einem niedrigeren Lohn und für eine längere Zeit.

Die mikroökonomische Reform, die auf Produktivität beruht, ist eine Zombie Idee, die unbedingt getötet werden muss, schreibt John Quiggin in einem lesenswerten Artikel („Like a zombie, the productivity doctrine is back, we need to fight it“) in The Guardian. Der an der University of Queensland lehrende Wirtschaftsprofessor nimmt damit zu einer aktuellen Frage in der politischen Debatte in Australien Stellung.

Das Problem ist aber, dass die Erfahrung der letzten 20 Jahre zeigt, dass die Produktivitätssteigerungen, die durch die härter schaffenden Arbeitnehmer getrieben werden, nicht nachhaltig sind, ausser in Rezessionen wie in den 1990er Jahren. Sobald der Arbeitsmarkt sich erholt, fangen die gestressten Arbeitskräfte an, sich eine neue Stelle zu suchen oder sie finden inoffizielle Wege für die Wiederherstellung der Work-life-Balance.

Authentische langfristige Verbesserungen in der Produktivität der Wirtschaft können nur durch Ausbildung der Belegschaft gewonnen werden, und zwar den technologischen Verbesserungen Rechnung tragend und durch die Makroökonomie und die Arbeitsmarktpolitik, die darauf ausgerichtet sind, die Verschwendung des menschlichen Potentials durch Arbeitslosigkeit und andere Formen der sozialen Ausgrenzung zu vermeiden, hält Quiggin fest.




Prof. John Quiggin: „Zombie Economics“, Princeton University Press

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Dennis Snower vom Institute für Weltwirtschaft  in Kiel in einem wunderlichen Artikel („Hausaufgaben für Deutschland“) in der FAZ schreibt, dass der Aufstieg Deutschlands vom „kranken Mann“ zur „Lokomotive Europas“ v.a. auf die moderate Lohnentwicklung zurückgeht.

Das neo-liberale Gedankengut von der berühmten Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ist eine weitere Zombie Idee, die die politischen Parteien in Deutschland zur Zeit allem Anschein nach auf ihre Fahne schreiben, bevor die Koalitionsverhandlungen beginnen.

Prof. Snower plädiert damit für eine zweite Runde von Lohnmoderation in der EWU, damit Deutschland noch wettbewerbsfähiger wird und seine Handelspartner richtig gegen die Wand fährt. Die Botschaft vom Institut für Weltwirtschaft ist an Zynismus und Chauvinismus kaum noch zu überbieten, bemerkt Heiner Flassbeck in einem Beitrag dazu in seinem Blog. Mit Recht.

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