Freitag, 4. Oktober 2013

Ken Rogoff verteidigt die Austeritätspolitik Grossbritanniens

Ken Rogoff schreibt in einem Artikel („Britain should not take its credit status for granted“) in FT, dass Grossbritannien gegen die Möglichkeit einer Schuldenkrise nicht immun ist. Es sei also notwendig gewesen, sich dagegen abzusichern. Diese Absicherung war Austerität, hebt der an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.

Simon Wren-Lewis ist damit zu Recht nicht einverstanden. Wie der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor in seinem Blog betont, ist es optimal, wenn von den Finanzmärkten keine Gefahr droht, harsche Sparmassnahmen (fiscal tightening) aufzuschieben, bis die Erholung der Wirtschaft abgeschlossen ist. Die VWL-Bücher legen deutlich nahe, dass das Problem Schulden in Abwesenheit des default-Risikos nur Stufe um Stufe angepackt werden soll und die Fiskalpolitik nicht pro-zyklisch erfolgen darf. Die Absicherungspolitik, die Rogoff befürwortet, weicht von dieser Weisheit ab.

Die von Rogoff geförderte Strategie verursacht laut Wren-Lewis Kosten in Form von Output-Rückgang. Und die Vorteile sind lediglich beschränkt und sogar unklar. Es besteht die Gefahr, dass die Austerität die Erholung der Wirtschaft beeinträchtigt. Die Versicherungspolitik à la Rogoff bringt also hohe Kosten und sehr undeutliche Nutzen.

Was Rogoff übersieht, ist, dass Grossbritannien mit QE-Politik (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) bereits eine Versicherung hat. Die Bank of England (BoE) verspricht damit, die langfristigen Zinsen niedrig zu halten und erklärt sich bereit, Staatspapiere im offenen Markt zu kaufen, Anleihen, die an den Finanzmärkten sonst nicht gekauft werden würden. Wenn die Märkte sich auflehnen würden, würde die britische Regierung unter Druck geraten, das hohe Haushaltsdefizit beinahe über Nacht zu schliessen, behauptet Rogoff weiter. Es stimmt aber nicht. Denn Grossbritannien kann Geld drucken, weil es nicht in der EWU ist und daher über eine eigene Notenbank verfügt.



Ein einfaches IS-MP Modell, Graph: Prof. Paul Krugman


Natürlich ist es nicht abzustreiten, dass das Drucken von Geld zum Abdecken von unhaltbaren Haushaltsdefiziten inflationär ist. Es geht aber hier nicht um diese Frage, sondern um eine Regierung mit einem langfristig realistischen Plan zur Schuldentragfähigkeit im Fall einer irrationalen Panik am Markt. Das Geld-Drucken wäre unter diesen Umständen nur eine vorübergehende Massnahme, solange die Panik anhält.

Wren-Lewis hält als Fazit fest, dass die QE-Politik die Versicherungspolitik Grossbritanniens gegen eine Schuldenkrise ist. Es bedarf also keiner möglicherweise dubiosen Zusatzversicherung Austerität.

Exkurs:

Rogoffs Behauptung, dass Grossbritannien eine ähnliche Schuldenkrise wie Südeuropa erleben würde, wo die Investoren das Vertrauen verlieren und die Zinsen in die Höhe treiben und am Schluss die Wirtschaft zusammenbricht, trifft im Allgemeinen für die Länder, die über ihre eigene Währung verfügen und nicht viel fremde Schulden haben, nicht zu. Zumal die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt und die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound). Für Streber liefert Paul Krugman in seinem Blog eine detaillierte Erläuterung anhand eines einfachen IS-MP Modells.

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