Donnerstag, 17. Oktober 2013

Die Suche nach der monetären Stabilität in Europa

Die europäischen Entscheidungsträger ringen seit Jahrzehnten um die gegenseitige Stabilisierung der Währungen in Europa. Es geht v.a. darum, Probleme im Hinblick auf Inflation, Abwertung und Schwankungsanfälligkeit zu bekämpfen. Bisher wurden verschiedene Wechselkursmechanismen in Angriff genommen. Nachdem Scheitern des Bretton-Woods-Systems (feste Wechselkurse) wurde z.B. im April 1972 der Europäische Wechselkursverband („Währungsschlange“) gegründet. Denn die Bindung an den US-Dollar hatte sich als nachteilig erwiesen.

Um mit Deutschland in Sachen Effizienz Schritt halten zu können, waren die Europas Regierungen bereit, sich an der Geldpolitik der Bundesbank zu orientieren. Entweder man hat die eigene Währung abwerten oder eine enge Bindung an die DEM suchen müssen. So lautete der allgemeine Tenor damals.

Es war jedoch schwer, sich gegen Deutschland zu behaupten. Wie Mark Blyth in seinem lesenswerten Buch („Austerity“) hervorhebt, hat Deutschland weltweit die niedrigste Preiselastizität im Exportgeschäft. Wer also seine Währung an die DEM bindet, müsste in Sachen Qualität und Preis mit Deutschland konkurrieren können.

Es war aber nicht einfach, weil die DEM in der Nachkriegsperiode unterbewertet war und die deutschen Arbeitskosten und die Inflationsrate deutlich unter dem Durchschnittswert in Europa lagen. Die deutsche Wirtschaft hat damit die restliche Konkurrenz in Europa unterbieten können.

Im Verlauf der Zeit hat sich insbesondere Frankreich gegen Deutschlands Dominanz gewehrt. Die „Währungsschlange“ wurde daher 1979 durch das Europäische Währungssystem (EWS) abgelöst. Das EWS war das Hauptinstrument der währungspolitischen Zusammenarbeit zwischen der Ländern der EU von 1979 bis 1999.


Net Balance with the Eurosystem, Graph: Paul DeGrauwe and Yuemei Ji, in: „The fragility of two monetary regimes: The European Monetary System and the Eurozone“, Oct. 2013

Das Fehlen eines Abwertungsrisikos (devaluation risk) in der Eurozone hat den Effekt, dass die Spreads zwischen Staatsanleihen nur das Risiko (credit risk) der Zahlungsunfähigkeit (default) widerspiegeln. Die EZB war bereit, die Geldmärkte mit Liquidität zu versorgen. Wie es aber mit dem Anleihemarkt?


Im Mittelpunkt stand der sog. Wechselkursmechanismus (WKM) mit einer festen Schwankungsbreite für die beteiligten europäischen Währungen. Die meisten Wechselkurse konnten um bis zu 2,25% nach oben oder unten schwanken. Für Italien wurde sogar ausnahmsweise eine grössere Bandbreite zugelassen. Die Zentralbanken waren verpflichtet, ihre Verbindlichkeiten in eine fremde Währung (d.h. de facto DEM) zu konvertieren, und zwar zu einem festen Kurs.

Das Problem mit dieser Verpflichtung war jedoch, dass die Zentralbanken nicht unbegrenzt über Reserven in DEM verfügten. Wenn Marktteilnehmer darauf spekulierten, dass die eine Zentralbank zu wenig DEM-Reserven hatte, konnten sie einen „Sturm“ (run) auf diese Währung dieses Landes starten und damit eine Krise auslösen.

Es war also eine Art Glaubwürdigkeitsproblem, wie Paul DeGrauwe in einer aktuellen Forschungsarbeit („The fragility of two monetary regimes: The European Monetary System and the Eurozone“) beschreibt, dass die einzelnen Zentralbanken nicht über genügend Liquidität verfügten, um die eigene Währung zu stützen und auch nicht auf die Unterstützung der Bundesbank zählen konnten.

Eingedenk dieses Problems haben die Entscheidungsträger beim Aufbau der Eurozone grossen Wert darauf gelegt, auf nationale Währungen zu verzichten, um auf diese Weise die Verpflichtung, und die dadurch entstehenden Probleme, die Landeswährungen in DEM zu konvertieren, zu beseitigen. So wurde aber das Glaubwürdigkeitsproblem auf die Anleihemärkte verlagert. In der Eurozone erleiden die Mitgliedsländer heute dasselbe Problem wie die Länder im EWS im Geldmarkt.

Das heisst, dass sie sich verpflichten, ihre Verbindlichkeiten (sprich: Staatsanleihen) in eine Währung (Euro) zu konvertieren, über welche sie nicht verfügen, erklärt DeGrauwe weiter. Wenn es an Unterstützung in Sachen Liquidität mangelt, ergibt sich in der Eurozone ein ähnliches Problem der Fragilität wie im EWS damals.

Der einzige Unterschied, wie der an der London School of Economics lehrende Wirtschaftsprofessor unterstreicht, ist die Verschiebung der Fragilität von den Devisenmärkten auf die Märkte für Staatsanleihen. Denn der Euro ist die Gemeinschaftswährung, die die einzelnen Länder in der Eurozone nicht kontrollieren können.

Die EZB hat 2012 mit der Vorstellung des OMT-Programms angekündigt, als lender of last resort zu agieren. Es hat unmittelbar eine stabilisierende Wirkung ausgelöst. Die Risikoaufschläge (spreads) von Staatsanleihen aus der EU-Peripherie gegenüber den deutschen Staatsanleihen sind rasch gesunken. Die Macht der EZB, auf Ängste und Panik in der Eurozone Einfluss zu nehmen ist deshalb laut DeGrauwe gross. Aber EZB’s Einfluss wurde bisher lediglich durch Ankündigung ausgeübt. Es ist klar, dass die EZB gezwungen wäre, zu intervenieren, wenn es hart auf hart kommen würde.

Exkurs:

George Soros und das Ende des Europäischen Währungssystems (EWS)

Die einzige Möglichkeit, ein Currency Peg (Wechselkursbindung) aufrechtzuerhalten, ist, die Währung mit Devisen (foreign exchange reserves) zu verteidigen oder die Löhne und die Preise nach unten zu korrigieren (d.h. Lohnmoderation und Abwertung).

Um eine Wechselkursbindung (peg) zu schützen, benötigt ein Land hohe Fremdwährungsreserven, sodass es, wenn die Landeswährung an Wert verliert, Devisen verkaufen kann, um die eigene Währung zu kaufen, um auf diese Weise den gewünschten Wechselkurs festzulegen.

Wenn die Marktteilnehmer aber beobachten, wie wenig die Fremdwährungsreserven dieses Landes sind, können sie gegen seine Währung wetten, um eine Abwertung zu zwingen. Die Differenz zwischen dem peg und dem neuen Wechselkurs am Markt, der durch Leerverkäufe (short) ausgelöst wird, ist dann der Profit der Spekulanten.

Das war auch die Art und Weise, wie George Soros 1992 den europäischen Wechselkursmechanismus (EWM) schlug. Grossbritannien und Italien waren gezwungen, aus dem System zu treten. Soros hat darauf gesetzt, dass Grossbritannien oder Italien nicht in der Lage wären, ihre Wettbewerbsfähigkeit ohne Deflation (price deflation) zu verbessern. Die betroffenen Länder könnten so viel Deflation und Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen, bis ihre Devisenreserven ausreichen. Geschweige denn, die Politiker müssten daran denken, die nächste Wahl nicht zu riskieren. Das heisst, sie hätten es nicht schaffen können, die eigene Währung koste-es-was- es-wolle zu verteidigen. Der Austritt war die Lösung mit einem geringeren Aufwand und Schaden.

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