Die europäischen Entscheidungsträger ringen seit
Jahrzehnten um die gegenseitige Stabilisierung der Währungen in Europa. Es geht v.a.
darum, Probleme im Hinblick auf Inflation, Abwertung und
Schwankungsanfälligkeit zu bekämpfen. Bisher wurden verschiedene
Wechselkursmechanismen in Angriff genommen. Nachdem Scheitern des Bretton-Woods-Systems (feste
Wechselkurse) wurde z.B. im April 1972
der Europäische Wechselkursverband („Währungsschlange“)
gegründet. Denn die Bindung an den US-Dollar hatte sich als nachteilig
erwiesen.
Um mit Deutschland in Sachen Effizienz Schritt halten
zu können, waren die Europas Regierungen bereit, sich an der Geldpolitik der
Bundesbank zu orientieren. Entweder man hat die eigene Währung abwerten oder
eine enge Bindung an die DEM suchen müssen. So lautete der allgemeine Tenor
damals.
Es war jedoch schwer, sich gegen Deutschland zu
behaupten. Wie Mark Blyth
in seinem lesenswerten Buch („Austerity“) hervorhebt, hat Deutschland
weltweit die niedrigste Preiselastizität im Exportgeschäft. Wer also seine
Währung an die DEM bindet, müsste in Sachen Qualität und Preis mit Deutschland
konkurrieren können.
Es war aber nicht einfach, weil die DEM in der
Nachkriegsperiode unterbewertet war und die deutschen Arbeitskosten und die
Inflationsrate deutlich unter dem Durchschnittswert in Europa lagen. Die
deutsche Wirtschaft hat damit die restliche Konkurrenz in Europa unterbieten
können.
Im Verlauf der Zeit hat sich insbesondere Frankreich
gegen Deutschlands Dominanz gewehrt. Die „Währungsschlange“ wurde daher 1979 durch das Europäische Währungssystem (EWS) abgelöst. Das EWS war das
Hauptinstrument der währungspolitischen Zusammenarbeit zwischen der Ländern der
EU von 1979 bis 1999.
Net Balance with the Eurosystem, Graph: Paul DeGrauwe and Yuemei Ji, in: „The
fragility of two monetary regimes: The European Monetary System and the
Eurozone“, Oct. 2013
Das Fehlen eines Abwertungsrisikos (devaluation risk) in der Eurozone hat
den Effekt, dass die Spreads zwischen Staatsanleihen nur das Risiko (credit risk) der Zahlungsunfähigkeit (default) widerspiegeln. Die EZB war
bereit, die Geldmärkte mit Liquidität zu versorgen. Wie es aber mit dem Anleihemarkt?
Im Mittelpunkt stand der sog. Wechselkursmechanismus (WKM) mit einer festen Schwankungsbreite
für die beteiligten europäischen Währungen. Die meisten Wechselkurse konnten um
bis zu 2,25% nach oben oder unten schwanken. Für Italien wurde sogar ausnahmsweise
eine grössere Bandbreite zugelassen. Die Zentralbanken waren verpflichtet, ihre
Verbindlichkeiten in eine fremde Währung (d.h. de facto DEM) zu konvertieren,
und zwar zu einem festen Kurs.
Das Problem mit dieser Verpflichtung war jedoch, dass
die Zentralbanken nicht unbegrenzt über Reserven in DEM verfügten. Wenn
Marktteilnehmer darauf spekulierten, dass die eine Zentralbank zu wenig
DEM-Reserven hatte, konnten sie einen „Sturm“ (run) auf diese Währung dieses Landes starten und damit eine Krise
auslösen.
Es war also eine Art Glaubwürdigkeitsproblem, wie Paul DeGrauwe in einer aktuellen
Forschungsarbeit („The
fragility of two monetary regimes: The European Monetary System and the Eurozone“)
beschreibt, dass die einzelnen Zentralbanken nicht über genügend Liquidität
verfügten, um die eigene Währung zu stützen und auch nicht auf die
Unterstützung der Bundesbank zählen konnten.
Eingedenk dieses Problems haben die
Entscheidungsträger beim Aufbau der Eurozone
grossen Wert darauf gelegt, auf nationale Währungen zu verzichten, um auf diese
Weise die Verpflichtung, und die dadurch entstehenden Probleme, die
Landeswährungen in DEM zu konvertieren, zu beseitigen. So wurde aber das
Glaubwürdigkeitsproblem auf die Anleihemärkte verlagert. In der Eurozone erleiden
die Mitgliedsländer heute dasselbe Problem wie die Länder im EWS im Geldmarkt.
Das heisst, dass sie sich verpflichten, ihre
Verbindlichkeiten (sprich: Staatsanleihen) in eine Währung (Euro) zu konvertieren,
über welche sie nicht verfügen, erklärt DeGrauwe weiter. Wenn es an
Unterstützung in Sachen Liquidität mangelt, ergibt sich in der Eurozone ein
ähnliches Problem der Fragilität wie im EWS damals.
Der einzige Unterschied, wie der an der London School of Economics lehrende
Wirtschaftsprofessor unterstreicht, ist die Verschiebung der Fragilität von den
Devisenmärkten auf die Märkte für Staatsanleihen. Denn der Euro ist die
Gemeinschaftswährung, die die einzelnen Länder in der Eurozone nicht
kontrollieren können.
Die EZB hat 2012 mit der Vorstellung des OMT-Programms
angekündigt, als lender of last resort zu agieren. Es hat
unmittelbar eine stabilisierende Wirkung ausgelöst. Die Risikoaufschläge (spreads) von Staatsanleihen aus der
EU-Peripherie gegenüber den deutschen Staatsanleihen sind rasch gesunken. Die
Macht der EZB, auf Ängste und Panik in der Eurozone Einfluss zu nehmen ist deshalb
laut DeGrauwe gross. Aber EZB’s Einfluss wurde bisher lediglich durch
Ankündigung ausgeübt. Es ist klar, dass die EZB gezwungen wäre, zu intervenieren,
wenn es hart auf hart kommen würde.
Exkurs:
George
Soros und das Ende des Europäischen Währungssystems (EWS)
Die einzige Möglichkeit, ein Currency Peg (Wechselkursbindung) aufrechtzuerhalten, ist, die
Währung mit Devisen (foreign exchange
reserves) zu verteidigen oder die Löhne und die Preise nach unten zu
korrigieren (d.h. Lohnmoderation und Abwertung).
Um eine Wechselkursbindung (peg) zu schützen, benötigt ein Land hohe Fremdwährungsreserven,
sodass es, wenn die Landeswährung an Wert verliert, Devisen verkaufen kann, um
die eigene Währung zu kaufen, um auf diese Weise den gewünschten Wechselkurs
festzulegen.
Wenn die Marktteilnehmer aber beobachten, wie wenig
die Fremdwährungsreserven dieses Landes sind, können sie gegen seine Währung
wetten, um eine Abwertung zu zwingen. Die Differenz zwischen dem peg und dem neuen Wechselkurs am Markt,
der durch Leerverkäufe (short)
ausgelöst wird, ist dann der Profit der Spekulanten.
Das war auch die Art und Weise, wie George Soros 1992 den europäischen Wechselkursmechanismus
(EWM) schlug. Grossbritannien und
Italien waren gezwungen, aus dem System zu treten. Soros hat darauf gesetzt,
dass Grossbritannien oder Italien nicht in der Lage wären, ihre
Wettbewerbsfähigkeit ohne Deflation (price
deflation) zu verbessern. Die betroffenen Länder könnten so viel Deflation
und Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen, bis ihre Devisenreserven ausreichen.
Geschweige denn, die Politiker müssten daran denken, die nächste Wahl nicht zu
riskieren. Das heisst, sie hätten es nicht schaffen können, die eigene Währung
koste-es-was- es-wolle zu verteidigen. Der Austritt war die Lösung mit einem geringeren
Aufwand und Schaden.
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