Die schwedische Zentralbank hat in den vergangenen
Jahren das eigene Inflationsziel stets unterlaufen. Die von der Riksbank geleitete
Geldpolitik hat damit nicht nur zu einer wesentlich niedrigen Inflation geführt,
sondern auch eine unnötig hohe Arbeitslosigkeit ausgelöst.
Die Riksbank hat
neulich die restriktive Geldpolitik verteidigt: "Niedrigere Zinsen würden sonst
zu einem Anstieg des Verschuldungsgrades (household-debt-ratio)
führen". Die Riskbank scheint es also als gegeben anzunehmen, dass
eine hohe Zinspolitik eine niedrige Schuldenquote (debt ratio) zur Folge hätte.
Lars
E.O.Svensson ist damit nicht einverstanden. Der an der Stockholm University lehrende
Wirtschaftsprofessor erklärt es in einem lesenswerten Artikel („The Riksbank is wrong about debt“) in voxeu so, dass höhere Zinsen in der Tat zu einer
höheren Schuldenquote führen, nicht zu einer niedrigeren.
Der höhere Zins durch die Zentralbank verringert nämlich
die nominalen Hauspreise und die neuen Hypotheken. Da aber die neuen Hypotheken
nur einen kleinen Anteil an den gesamten Hypotheken ausmachen, fallen die
Schulden sehr langsam. Doch das nominale BIP und das verfügbare Einkommen
sinken viel schneller, sodass die Schuldenquote am Ende steigt.
Vor diesem Hintergrund warnt Svensson angesichts einer „leaning against the wind“-Politik ("Konzept des Gegensteuerns"*) vor
einer Debt-Deflation
à la Fisher.
Inflationsziel und Verlauf der tatsächlichen Inflation
in Kanada und Schweden im Vergleich, Graph:
Prof. Lars E.O. Svensson in: voxeu
Die gefährliche Situation entsteht so, dass die
Deflation zu einem Anstieg der realen Last der Schulden führt. Loan-to-value
und loan-to-income-Ratios steigen, da die Schulden nominal festgelegt sind,
während der nominale Wert der Vermögenswerte und das Einkommen fallen. Das hat
natürlich negative Konsequenzen für die Wirtschaft, wie Insolvenzen,
Notverkäufe (fire sales) und
Schuldenabbau (deleveraging).
Das wichtigste am Konzept der „debt-deflation“
ist nicht die Deflation, sondern die negative
Inflation, hebt Svensson hervor. Das Preisniveau bildet sich niedriger als zuvor erwartet. Das
bedeutet, dass die reale Verschuldung und loan-to-value und
loan-to-income-Ratios höher liegen als erwartet und geplant. Das ist etwas, was
die Riksbank mit ihrer „leaning against the wind“-Politik verursacht,
dadurch dass sie die Preisstabilität nicht mehr unter Kontrolle hat (zu wenig Inflation ist auch ein Verstoss
gegen die Preisstabilität wie zu viel
Inflation) und mit einer nicht akkommodierenden Geldpolitik die
Inflationszielrate verfehlt.
Mario Draghi, dem EZB-Präsidenten klingen bestimmt
schon die Ohren. Zunächst war es Deutschland, das das gemeinsam festgelegte
Inflationsziel in der EWU unterlaufen hat. Nun liegt die Inflationsrate in der
gesamten Eurozone infolge der Austeritätspolitik und der damit
zusammenhängenden „internen Abwertung“ (internal
devaluation) unter dem Ziel von 2%.
Die Peripherie wird nämlich von Berlin und Brüssel aufgefordert, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Anpassung von Preisen und Kosten nach unten zu verbessern. Das Ergebnis kann nur Deflation sein, mit Massenarbeitslosigkeit als
„Begleiterscheinung“. Kein Wunder, dass der IWF in seinem aktuellen WEO vor Deflationsgefahr in Europa warnt.
(*) Was unter „leaning-against-the-wind“-Politik zu verstehen ist, lässt sich kurz so
beschreiben: Zeichnet sich an den Finanzmärkten ein Boom ab, würde die
Zentralbank die Zinsen stärker erhöhen, als es für die Einhaltung der
Preisstabilität notwendig wäre.
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