Freitag, 11. Oktober 2013

Debt-Deflation Gefahr in Europa

Die schwedische Zentralbank hat in den vergangenen Jahren das eigene Inflationsziel stets unterlaufen. Die von der Riksbank geleitete Geldpolitik hat damit nicht nur zu einer wesentlich niedrigen Inflation geführt, sondern auch eine unnötig hohe Arbeitslosigkeit ausgelöst. 

Die Riksbank hat neulich die restriktive Geldpolitik verteidigt: "Niedrigere Zinsen würden sonst zu einem Anstieg des Verschuldungsgrades (household-debt-ratio) führen". Die Riskbank scheint es also als gegeben anzunehmen, dass eine hohe Zinspolitik eine niedrige Schuldenquote (debt ratio) zur Folge hätte.

Lars E.O.Svensson ist damit nicht einverstanden. Der an der Stockholm University lehrende Wirtschaftsprofessor erklärt es in einem lesenswerten Artikel („The Riksbank is wrong about debt“) in voxeu so, dass höhere Zinsen in der Tat zu einer höheren Schuldenquote führen, nicht zu einer niedrigeren.

Der höhere Zins durch die Zentralbank verringert nämlich die nominalen Hauspreise und die neuen Hypotheken. Da aber die neuen Hypotheken nur einen kleinen Anteil an den gesamten Hypotheken ausmachen, fallen die Schulden sehr langsam. Doch das nominale BIP und das verfügbare Einkommen sinken viel schneller, sodass die Schuldenquote am Ende steigt.

Vor diesem Hintergrund warnt Svensson angesichts einer „leaning against the wind“-Politik ("Konzept des Gegensteuerns"*) vor einer Debt-Deflation à la Fisher.



Inflationsziel und Verlauf der tatsächlichen Inflation in Kanada und Schweden im Vergleich, Graph: Prof. Lars E.O. Svensson in: voxeu


Die gefährliche Situation entsteht so, dass die Deflation zu einem Anstieg der realen Last der Schulden führt. Loan-to-value und loan-to-income-Ratios steigen, da die Schulden nominal festgelegt sind, während der nominale Wert der Vermögenswerte und das Einkommen fallen. Das hat natürlich negative Konsequenzen für die Wirtschaft, wie Insolvenzen, Notverkäufe (fire sales) und Schuldenabbau (deleveraging).

Das wichtigste am Konzept der „debt-deflation“ ist nicht die Deflation, sondern die negative Inflation, hebt Svensson hervor. Das Preisniveau bildet sich niedriger als zuvor erwartet. Das bedeutet, dass die reale Verschuldung und loan-to-value und loan-to-income-Ratios höher liegen als erwartet und geplant. Das ist etwas, was die Riksbank mit ihrer „leaning against the wind“-Politik verursacht, dadurch dass sie die Preisstabilität nicht mehr unter Kontrolle hat (zu wenig Inflation ist auch ein Verstoss gegen die Preisstabilität wie zu viel Inflation) und mit einer nicht akkommodierenden Geldpolitik die Inflationszielrate verfehlt.

Mario Draghi, dem EZB-Präsidenten klingen bestimmt schon die Ohren. Zunächst war es Deutschland, das das gemeinsam festgelegte Inflationsziel in der EWU unterlaufen hat. Nun liegt die Inflationsrate in der gesamten Eurozone infolge der Austeritätspolitik und der damit zusammenhängenden „internen Abwertung“ (internal devaluation)  unter dem Ziel von 2%. 

Die Peripherie wird nämlich von Berlin und Brüssel aufgefordert, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Anpassung von Preisen und Kosten nach unten zu verbessern. Das Ergebnis kann nur Deflation sein, mit Massenarbeitslosigkeit als „Begleiterscheinung“. Kein Wunder, dass der IWF in seinem aktuellen WEO vor Deflationsgefahr in Europa warnt.




(*) Was unter „leaning-against-the-wind“-Politik zu verstehen ist, lässt sich kurz so beschreiben: Zeichnet sich an den Finanzmärkten ein Boom ab, würde die Zentralbank die Zinsen stärker erhöhen, als es für die Einhaltung der Preisstabilität notwendig wäre.

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