Mittwoch, 10. November 2010

Zombie Economics

Buchbesprechung:

John Quiggin: “Zombie Economics”. How Dead Ideas Still Walk Among Us. Princeton University Press, Princeton and Oxford, 2010.


Die Finanzkrise hat gezeigt, dass die Vorstellung vom effizienten Markt gescheitert ist. Der Kasinobetrieb namens Finanzmarkt hat viele der Annahmen hinter der herrschenden Wirtschaftslehre blossgestellt, dass marktorientierte Lösungen immer am besten sind, unabhängig von der Art und Weise des Problems. Die Protagonisten der neoklassischen Theorie haben jahrzehntelang die Mainstream Economics beherrscht. Ihr Einfluss hat ein System erzeugt, wo ein gedankenloses Vertrauen in Märkte viele in spekulative Investitionen verleitet hat, welche als grundsätzlich sicher gesehen wurden. Die Krise schien diese Ideen getötet zu haben. Aber sie leben immer noch in den Köpfen vieler Mitglieder der Öffentlichkeit, Ökonomen, Politiker und auch derjenigen, die jetzt mit dem Aufräumen des Schlamassels beauftragt sind. Kurzum suchen die toten Ideen auf dem Friedhof der ökonomischen Ideologie das Land weiter heim.

Dieses tolle Buch befasst sich mit einigen dieser Ideen, die in der Krise eine Rolle gespielt haben. Es sind: (1) Great Moderation: Die Idee, dass die Periode, die 1985 begonnen hat, eine beispiellose makroökonomische Stabilität bot, (2) Efficient Markets Hypothesis: Die Idee, dass die von den Finanzmärkten erzeugten Preise die bestmögliche Schätzung des Wertes einer Investition repräsentieren, (3) Dynamic Stochastic General Equilibrium (DSGE): Die Idee, dass die makroökonomische Analyse sich um gesamtwirtschaftliche Aggregate wie Handelsbilanzsaldos und Schuldenstand nicht kümmern soll. Sie soll konsequent aus mikroökonomischen Modellen des individuellen Verhaltens abgeleitet werden, (4) Trickle-down Economics: Die Idee, dass die Wirtschaftspolitik, die den Wohlhabenden nutzt, schliesslich allen zu Gute kommt, und (5) Privatization: Die Idee, dass jede Funktion, die durch den Staat unternommen wird, durch private Unternehmen besser gemacht werden kann.

John Quiggin, Wirtschaftsprofessor an der University of Queensland in Australien, erklärt mit Zitaten, Geschichte, Theorie und harten Fakten, wie die toten Ideen noch immer unter uns weilen und warum wir einen Weg finden müssen, um sie für immer zu töten, wenn wir eine grössere Finanzkrise in Zukunft vermeiden wollen. Der Autor stellt jede Zombie-Idee systematisch vor: „Geburt, Leben, Tod, Reanimation und die Phase nach der Zombie“. Es werden also die Ursprünge, Folgen und die Implosion eines Systems von Ideen, deren Zeit gekommen und gegangen ist, ausführlich anhand von epochalen Ereignissen auch für Laien verständlich erläutert: Eine Art tour d’horizon der Wirtschaftslehre auf einer intellektuell hohen Ebene. Da diese Ideen niemals sterben werden, es sei denn, es gibt eine Alternative, bietet Quiggin, was die herrschende Lehre, die er „market liberalism“ bezeichnet, ersetzen könnte: Eine einfache Rückkehr zum traditionellen Keynesianismus und zur Politik des Wohlfahrtsstaates wird nicht ausreichen, die Ideen zu erlegen oder künftige Krisen zu vermeiden. Erforderlich sind: Mehr Realismus, weniger Strenge. Mehr Eigenkapital, weniger Effizienz. Mehr Demut, weniger Hybris. Ein erfrischendes Wirtschaftsbuch. Unbedingt lesenswert.

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