Sonntag, 7. November 2010

Rohstoffhausse: Wie ist die Entwicklung zu schätzen?

Der Goldpreis markiert mit 1'397 $ pro Unze ein Rekordniveau. Das Silber notiert mit 26,748 $ je Unze auf dem höchsten Niveau seit 1980. Das bedeutet ein Plus von 55% allein in diesem Jahr. Das Erdöl (WTI Crude) kostet 86,85 $ je Barrel (159 Liter). Und die Hausse an den Rohstoffmärkten verstärkt sich weiter. Es gibt sicherlich mehrere Erklärungen für den fulminanten Preisanstieg an den Rohstoffmärkten, wie zum Beispiel die Angst vor Inflation. Das ist aber vollkommen falsch. Warum? Teilweise, weil man sich auf „sticky prices“ konzentrieren müsste. Es lohnt sich aber Perspektive im Bezug auf Rohstoffpreise zurückzurücken. Paul Krugman liefert in seinem Blog die folgende Abbildung für reale Rohstoffpreise, in der der Erzeugerpreis-Index (PPI) für alle Rohstoffe im Verhältnis zu Kerninflation (CPI) dargestellt ist. Was zu sehen ist, ist ein säkularer Aufwärtstrend, vermutlich durch die kräftige Nachfrage der sog. Schwellenländer im Angesicht der begrenzten Ressourcen, erklärt Krugman, die ihren Höhepunkt in einem grossen Preisanstieg in den Jahren 2007/08 gefunden hat.


Reale Rohstoffpreise, PPI im Verhältnis zum CPI (Kerninflation), Graph: Prof. Paul Krugman

Nun lässt sich darüber argumentieren, wie viel oder wenig die Rolle der Spekulation in diesem Endspiel gespielt hat. Die Preise sind im Angesicht der weltweiten Rezession eingebrochen und sich nach dem Ende des Abschwungs wieder erholt. Wo ist aber hier der enorme Inflationsdruck? Die grundlegende Geschichte scheint zu sein, dass wieder ein säkularer Aufwärtstrend reale Faktoren widerspiegelt, mit mehr oder weniger der Art von Schwankungen um diesen Trend, den man aufgrund des Konjunkturzyklus erwarten würden, legt Krugman dar. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Preisspitze der Rohstoffe von 2007/08 als ein Vorbote einer grossen Inflation gesehen wurde, was sich als vollkommen falsch erwiesen hat. Es handelt sich dabei nicht um Inflation, sondern Deflation, welche Gefahr darstellt.

Ferner: Was auch bedenklich ist, um es milde auszudrücken, dass selbst Grundnahrungsmittel am Agrarmarkt zum Spekulationsobjekt geworden sind. Der Zucker (0,3176 $ je Pfund) ist so teuer wie seit 30 Jahren nicht. Die einfache Tatsache, dass die Deutsche Bank einer der grössten, vielleicht sogar der grösste  Zuckerhändler der Welt ist, erstaunt viele. Warum aber engagiert sich eine grosse Bank als Zuckerhändler? Wie kann es sein, dass eine Bank, die erklärtermassen eine EK-Rendite von 25% erzielen will, mit Zucker handelt?  Wie kann man mit dem Handel von Zucker so viel Geld verdienen? „Man kann mit Zuckerhandel überhaupt nicht viel Geld verdienen, ausser man spekuliert mit Derivaten auf Zucker auf die Entwicklung des Zuckerpreises“, beschreibt Heiner Flassbeck in seinem grossartigen neuen Buch „Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts“. „Wenn es genügend Spekulanten das tun, wird es ihnen tatsächlich gelingen, den Zuckerpreis so weit und so schnell nach oben zu treiben, dass man in kurzer Zeit sehr viel Geld verdienen kann“, legt Flassbeck dar. Was für Zucker gilt, gilt in diesem Sinne auch für Baumwolle, Mais, Weizen und Reis. Was sollen die Menschen in Asien tun, wenn der Preis für Reis von Spekulanten nach oben getrieben werden? Die Derivatemärkte sorgen nicht für Preisfindung, sondern für Preisbildung. Und welche Funktion erfüllt das Geld für die Banken? Das Betreiben eines Kasinos oder das Kreditgeschäft für Sachinvestitionen?


1 Kommentar:

endless.good.news hat gesagt…

Wenn die Frage der Spekulation den Marktgläubigen gestellt wird, dann antworten sie, dass sich der Preis irgendwann einstellen wird. Damit mögen sie Recht haben, aber vorher sterben Menschen.