Mittwoch, 17. November 2010

5 Mythen über die US-Notenbank

Greg Ip erklärt in einem lesenswerten Essay in The Washington Post 5 Mythen über die US-Notenbank:

(I) Die Fed erzeugt durch Gelddruck galoppierende Inflation. „Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen“, sagte Milton Friedman vor rund 50 Jahren. Der Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der Inflation ist aber heute schwächer als die meisten Leute denken. Die aktuelle Politik der mengenmässigen Lockerung (QE = quantitative easing) der US-Notenbank bedeutet im Wesentlichen, dass die Fed Geld druckt, um Staatsanleihen zu kaufen, erklärt Ip. Die Fed druckt aber nicht wörtlich Geld, Notenscheine wie z.B. 20 $, die im Portemonnaie der Bürger landen. Die Fed tut es elektronisch. Wenn sie eine Anleihe im Wert von 100 $ von einer Bank kauft, dann zahlt sie auf das Konto der Bank bei der Fed 100 $ ein. Das elektronische Geld wird „Reserven“ genannt. Die die Fed zaubert sie also aus der Luft her. Allerdings kann dieses Geld zu Inflation führen, wenn die Banken es verleihen und die Verbraucher und Unternehmen ausgeben. Banken leihen Geld, wenn sie über starke Bilanzen verfügen und kreditwürdige Kunden Darlehen beantragen.

Menschen und Unternehmen geben Geld aus, wenn ihr Einkommen wächst und sie im Hinblick auf die Zukunft zuversichtlich sind. Nichts davon ist aber in letzter Zeit wahr, betont Ip. Die Fed versucht daher, die Ausgaben zu stimulieren, aber nicht indem sie Menschen mit frisch gebackenen Dollars begiesst, sondern sie kauft langlaufende Staatsanleihen auf, um deren Preise nach oben und die Renditen nach unten zu treiben. Tiefere Renditen am langen Ende der Ertragskurve sollen dann Leute veranlassen, Geld zu leihen.

(II) Die Fed gefährdert die globale Erholung, indem sie versucht, den US-Dollar zu schwächen. Die Wahrheit ist kompliziert. Wenn die Fed eine explizite Politik der Abwertung des US-Dollars verfolgt hätte, hätte sie Dollars auf dem freien Markt verkauft, um mit dem Erlös ausländische Devisen zu kaufen. Allerdings ist die Fed in dieser Hinsicht auf die Einwilligung des US-Schatzamtes angewiesen. Die Fed hat im Übrigen seit 2000 keine Dollars verkauft. Doch während ein schwächer Dollar nicht das direkte Ziel der Fed-Massnahmen ist, ist eine Abwertung eine vorhersehbare und erfreuliche Folge. Wenn die Fed die Geldpolitik lockert, entweder durch eine Zinssenkung oder durch, wie heute, den Kauf von langlaufenden Anleihen, macht sie Schatzwechsel und längerfristige Staatsanleihen weniger attraktiv. Investoren strömen in Alternative, einschliesslich ausländischer Aktien und Anleihen, was den Dollar-Wechselkurs gegenüber anderen Währungen nach unten treibt. Der niedrige Dollar-Kurs ergänzt damit niedrige Zinsen, was die Stimulierung der Wirtschaft betrifft. Das ist ein Null-Summen-Spiel. Während der Dollar-Rückgang die amerikanischen Ausfuhren erhöht, leiden amerikanische Handelspartner unter der Dollar-Abwertung. Nachdem die USA jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben, fangen sie jetzt an, zu sparen und weniger zu verbrauchen, erklärt Ip.

(III) Die Fed versucht, die Lasterhaftigkeit der US-Regierung zu finanzieren. Die Fed finanziert in der Tat durch den Kauf von Staatsanleihen das Staatsdefizit. Das schlägt Alarm: Hyperinflation wie in Simbabwe oder in der Weimarer Republik, beschreibt Ip. „Das ist aber jetzt nicht der Fall“, fügt er hinzu. Trotz eines Haushaltsdefizits (als Anteil des BIP) in der Nähe eines Rekordwertes seit dem Zweiten Weltkrieg mangelt es nicht an privaten und ausländischen Investoren, die US-Treasury Bonds kaufen, erklärt Ip. Die Wirtschaft ist derzeit so schwach und die Inflation ist so niedrig, dass es wirklich helfen könnte, wenn die Regierung mehr Geld leihen würde. Das geschieht aber nicht, weil der politische Stillstand eine zusätzliche Stimulierung der Wirtschaft verunmöglicht und die Fed nicht als Dienerin des amerikanischen Finanzministeriums erscheinen will.

(IV) Die Fed ist gegen die Politik immun. Wenn das nur so wäre!, bemerkt Ip. Die Fed ist technisch vom Rest der Regierung unabhängig. Aber der Präsident und der Kongress haben genügend Möglichkeiten, auf die Notenbank Druck auszuüben. Sie können privat und öffentlich den Fed-Vorsitzenden tyrannisieren, seine Wiederwahl verweigern, konforme Gouverneure ernennen oder das Federal Reserve Act abändern. Doch Bernanke macht eine politische Gratwanderung. Er hat schon lange ein explizites Inflationsziel (wahrscheinlich 2% pro Jahr) setzen wollen, aber er hat es nicht getan, zum Teil wegen der Opposition im Kongress, weil die Fokussierung auf ein Ziel (Preistabilität) zu Lasten des anderen Ziel (Vollbeschäftigung) gehen würde.

(V) Bernanke weiss, was er macht. Bernanke kam ins Amt mit einem beeindruckenden Lebenslauf, einschliesslich seines Studiums der Grossen Depression. Leider ist die Geschichte der Fed mit Fehlern übersät, argumentiert Ip, von den Fehlern, die zu Grossen Depression in den 1930er Jahren geführt haben bis auf die Fehler, die die Stagflation in den 1970er Jahren verursacht haben. Die Fed ist die mächtigste Finanzaufsicht in den USA und sie beschäftigt Hunderte von Ökonomen, Aufsehern und Anwälten. Aber sie hatte keine Ahnung, wie verwundbar das Finanzsystem nach dem Zusammenbruch der Immobilienpreise geworden ist. Die globale Wirtschaft ist kompliziert und ändert sich ständig. Und die Fed kann über die Folgen ihrer Politik nie sicher sein, fasst Ip zusammen.


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