Mittwoch, 15. April 2015

Ben Bernanke erklärt die Laufzeitprämie

Warum sind die längerfristigen Renditen so niedrig? Die Frage ist, angesichts der Tatsache, dass die Anzeichen für eine allmähliche Erholung der US-Wirtschaft sich derzeit mehren, folgerichtig, zumal die Zinsen am langen Ende der Ertragskurve zuletzt weiter gefallen sind.

Um eine analytische Antwort darauf zu geben, zerlegt Ben Bernanke in seinem Blog die Rendite der US-Staatsanleihen in drei Komponente: die erwartete Inflation, Erwartungen über die künftige Entwicklung der kurzfristigen Realzinsen und eine Laufzeitprämie (term premium).

Die Inflation ist niedrig, und erwartungsgemäss bleibt es auch. Die kurzfristigen Zinsen bleiben voraussichtlich niedrig. Deshalb tendieren auch die langfristigen Zinsen gedämpft.

Bernanke richtet daher den Fokus auf die Laufzeitprämie, die nichts anderes als die zusätzliche Rendite darstellt, die die Investoren für eine längerfristige Anleihe über eine kurzfristige Anleihe verlangen.

In der Regel notieren die längerfristigen Renditen höher als die kurzfristigen Renditen, was nahe legt, dass die Laufzeitprämie (term premium) positiv ist.


US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit und die Laufzeitprämie, Graph: Ben Bernanke


Die Laufzeitprämie kann aber nicht direkt beobachtet werden, sondern muss gestützt auf Daten von kurz- und langfristigen Zinssätzen geschätzt werden.

Bernanke verweist darauf, dass ein Investor, der am 2. Januar im vergangenen Jahr eine US-Staatsanleihe mit 10 Jahren gekauft hat, eine Rendite von 3,2% erzielt hat, wovon 1,6% schätzungsweise auf die Laufzeitprämie entfalle.

Die Laufzeitprämie fällt seit den 1980er Jahren genau wie die Zinsen im Allgemeinen, wie in der Abbildung deutlich zu sehen ist.

Was treibt aber die Laufzeitprämie? Es gibt laut Bernanke zwei Faktoren: (1) Änderungen der wahrgenommenen Risiken von langfristigen Wertpapieren, und (2) Änderungen in der Nachfrage nach bestimmten Wertpapieren in Bezug auf deren Angebot.

Die Laufzeitprämie wäre höher, wenn Investoren risikoscheu wären. Inflationserwartungen waren  historisch gesehen das wichtigste Risiko aus Sicht der Bond-Investoren. Seit den 1980er Jahren gingen die Inflation und Inflationsängste stetig zurück. Daher sind Anleihegläubiger heute bereit, weniger Ausgleich für Inflationsrisiko zu fordern als je zuvor.

Auch die Unsicherheit über die kurzfristigen Aussichten für die Wirtschaft oder die Geldpolitik erhöht den Risikofaktor von Anleihen. Forscher deuten darauf hin, dass die Laufzeitprämie in Zeiten von Rezessionen zunimmt. Der von Merrill Lynch entwickelte, marktbasierte MOVE-Index in Sachen Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Zinsen zeigt, dass die geschätzte Laufzeitprämie und der Index sich zusammen bewegen. Das heisst, dass erhöhte Unsicherheit auch die Laufzeitprämie erhöht.

Die Laufzeitprämie ist zuletzt sogar unter null gesunken, was mit der Tatsache in einer Welt mit Niedriginflation und akkommodierender Geldpolitik im Einklang steht. Längerfristige Anleihen zu halten, kann das gesamte Portfoliorisiko von Investoren reduzieren. Bonds können sogar auch eine Absicherung gegen das Risiko einer Deflation bereitstellen, da die fallenden Verbraucherpreise den realen Wert den Ertrag einer festverzinslichen Anleihen erhöhen, erklärt Bernanke.

Wenn längerfristigen Anleihen eine Art Absicherung gegen Risiken darstellen, dann sind Anleger bereitwillig, niedrige oder sogar negative Kompensation für das Halten von Anleihen zu akzeptieren.

In den Lehrbüchern steht zu lesen, dass die Nachfrage nach Wertpapieren nur von dem Risikfaktor und dem erwarteten Ertrag abhängt. In der Realität weisen Wertpapiere auch andere attraktive Merkmale wie z.B. Liquidität oder die Fähigkeit, regulatorische Anforderungen zu erfüllen.

Daher können Veränderungen in der Nachfrage nach oder dem Angebot für bestimmte Wertschriften auch auf die Entwicklung der Laufzeitprämie Einfluss nehmen, v.a. in Zeiten der zusätzlichen Investorennachfrage oder des globalen wirtschaftlichen und politischen Umbruchs. US-Treasury Bonds gehören zur ersten Wahl der ausländischen Zentralbanken und Staatsfonds (Sovereign Wealth Funds), die grosse Menge an Devisen halten wollen.

Warum ist aber die Laufzeitprämie in letzter Zeit so viel gefallen? Die Antwort ist laut Bernanken nicht offensichtlich. Die Geldpolitik der Fed kann den Rückgang der Laufzeitprämie allem Anschein nach nicht erklären. Das QE-Programm geht zu Ende. Und der MOVE-Index zeigt, dass sich die Unsicherheit über die Anleiherenditen im vergangenen Jahr nicht nennenswert zurückgebildet hat. Regulatorische Änderungen haben zwar die Nachfrage nach US-Treasury Bonds erhöht. Aber sie bestehen bereits über einen langen Zeitraum und können daher für die Abnahme der Laufzeitprämie nicht gut erklären.

Bernanke unterstreicht zwei mögliche Faktoren, die weiterhin einen Druck auf die Laufzeitprämie ausüben: (a) das Anleihekaufprogramm der EZB (Jan 2015) und die sog. Nebenwirkungen und (b) der Rückgang des Erdölpreises.

Keine dieser Erklärungen sei jedoch völlig überzeugend. Daher bleibe der Rückgang der Laufzeitprämie aus Sicht von Bernanke rätselhaft.

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