Warum sind
die längerfristigen Renditen so niedrig? Die Frage ist, angesichts der
Tatsache, dass die Anzeichen für eine allmähliche Erholung der US-Wirtschaft
sich derzeit mehren, folgerichtig, zumal die Zinsen am langen Ende der
Ertragskurve zuletzt weiter gefallen sind.
Um eine
analytische Antwort darauf zu geben, zerlegt Ben Bernanke in seinem Blog die Rendite der US-Staatsanleihen in drei
Komponente: die erwartete Inflation, Erwartungen über die künftige
Entwicklung der kurzfristigen Realzinsen und eine Laufzeitprämie (term premium).
Die
Inflation ist niedrig, und erwartungsgemäss bleibt es auch. Die kurzfristigen
Zinsen bleiben voraussichtlich niedrig. Deshalb tendieren auch die
langfristigen Zinsen gedämpft.
Bernanke
richtet daher den Fokus auf die Laufzeitprämie, die nichts anderes als die
zusätzliche Rendite darstellt, die die Investoren für eine längerfristige
Anleihe über eine kurzfristige Anleihe verlangen.
In der Regel
notieren die längerfristigen Renditen höher als die kurzfristigen Renditen, was
nahe legt, dass die Laufzeitprämie (term premium) positiv ist.
US-Staatsanleihen
mit 10 Jahren Laufzeit und die Laufzeitprämie, Graph: Ben Bernanke
Die
Laufzeitprämie kann aber nicht direkt beobachtet werden, sondern muss gestützt
auf Daten von kurz- und langfristigen Zinssätzen geschätzt werden.
Bernanke verweist darauf, dass ein Investor,
der am 2. Januar im vergangenen Jahr eine US-Staatsanleihe mit 10 Jahren
gekauft hat, eine Rendite von 3,2% erzielt hat, wovon 1,6% schätzungsweise
auf die Laufzeitprämie entfalle.
Die
Laufzeitprämie fällt seit den 1980er Jahren genau wie die Zinsen im Allgemeinen,
wie in der Abbildung deutlich zu sehen ist.
Was treibt
aber die Laufzeitprämie? Es gibt laut Bernanke zwei Faktoren: (1) Änderungen
der wahrgenommenen Risiken von langfristigen Wertpapieren, und (2) Änderungen
in der Nachfrage nach bestimmten Wertpapieren in Bezug auf deren Angebot.
Die
Laufzeitprämie wäre höher, wenn Investoren risikoscheu wären.
Inflationserwartungen waren historisch
gesehen das wichtigste Risiko aus Sicht der Bond-Investoren. Seit den 1980er
Jahren gingen die Inflation und Inflationsängste stetig zurück. Daher sind
Anleihegläubiger heute bereit, weniger Ausgleich für Inflationsrisiko zu
fordern als je zuvor.
Auch die
Unsicherheit über die kurzfristigen Aussichten für die Wirtschaft oder die
Geldpolitik erhöht den Risikofaktor von Anleihen. Forscher deuten darauf hin,
dass die Laufzeitprämie in Zeiten von Rezessionen zunimmt. Der von Merrill
Lynch entwickelte, marktbasierte MOVE-Index
in Sachen Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Zinsen zeigt, dass die
geschätzte Laufzeitprämie und der Index sich zusammen bewegen. Das heisst, dass
erhöhte Unsicherheit auch die Laufzeitprämie erhöht.
Die
Laufzeitprämie ist zuletzt sogar unter null gesunken, was mit der Tatsache in
einer Welt mit Niedriginflation und akkommodierender Geldpolitik im Einklang
steht. Längerfristige Anleihen zu halten, kann das gesamte Portfoliorisiko von
Investoren reduzieren. Bonds können sogar auch eine Absicherung gegen das
Risiko einer Deflation
bereitstellen, da die fallenden Verbraucherpreise den realen Wert den Ertrag
einer festverzinslichen Anleihen erhöhen, erklärt Bernanke.
Wenn
längerfristigen Anleihen eine Art Absicherung gegen Risiken darstellen, dann
sind Anleger bereitwillig, niedrige oder sogar negative Kompensation für das
Halten von Anleihen zu akzeptieren.
In den
Lehrbüchern steht zu lesen, dass die Nachfrage nach Wertpapieren nur von dem
Risikfaktor und dem erwarteten Ertrag abhängt. In der Realität weisen
Wertpapiere auch andere attraktive Merkmale wie z.B. Liquidität oder die
Fähigkeit, regulatorische Anforderungen zu erfüllen.
Daher können
Veränderungen in der Nachfrage nach
oder dem Angebot für bestimmte
Wertschriften auch auf die Entwicklung der Laufzeitprämie Einfluss nehmen, v.a.
in Zeiten der zusätzlichen Investorennachfrage oder des globalen
wirtschaftlichen und politischen Umbruchs. US-Treasury Bonds gehören zur ersten
Wahl der ausländischen Zentralbanken und Staatsfonds (Sovereign Wealth Funds), die grosse Menge an Devisen halten wollen.
Warum ist
aber die Laufzeitprämie in letzter Zeit so viel gefallen? Die Antwort ist laut
Bernanken nicht offensichtlich. Die Geldpolitik der Fed kann den Rückgang der
Laufzeitprämie allem Anschein nach nicht erklären. Das QE-Programm geht zu
Ende. Und der MOVE-Index zeigt, dass sich die Unsicherheit über die
Anleiherenditen im vergangenen Jahr nicht nennenswert zurückgebildet hat.
Regulatorische Änderungen haben zwar die Nachfrage nach US-Treasury Bonds erhöht.
Aber sie bestehen bereits über einen langen Zeitraum und können daher für die
Abnahme der Laufzeitprämie nicht gut erklären.
Bernanke
unterstreicht zwei mögliche Faktoren, die weiterhin einen Druck auf die
Laufzeitprämie ausüben: (a) das Anleihekaufprogramm der EZB (Jan 2015) und die
sog. Nebenwirkungen und (b) der Rückgang des Erdölpreises.
Keine dieser
Erklärungen sei jedoch völlig überzeugend. Daher bleibe der Rückgang der
Laufzeitprämie aus Sicht von Bernanke rätselhaft.
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