Samstag, 11. April 2015

Wo der Staat glänzt

Der Staat kann und soll einspringen, wichtige Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, wenn die privaten Märkte versagen. In diesem Sinne nimmt sich Paul Krugman angesichts der bevorstehenden US-Wahlen des Themas „weniger Staat oder mehr Staat?“ an:

Während die republikanischen Präsidentschaftskandidaten ihre politische Agenda vorstellen, die ja immer Steuersenkungen für die Reichen und Kürzungen von Sozialausgaben für Arme beinhaltet, spielt sich auf der anderen Seite des politischen Spektrums ein echt neues Denken ab, hebt der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor in seiner lesenswerten Kolumne („Where Government Excels“) am Freitag in NYTimes hervor.

Plötzlich beschliessen viele Demokraten, mit Beltway-Orthodoxie aufzuhören, welche immer Abbau von Sozialleistungen fordert. Stattdessen schlagen sie vor, Leistungen der sozialen Sicherheit (Social Security) tatsächlich zu erhöhen. Demokraten scheinen, sich endlich gegen die Anti-Staat-Propaganda zu stellen und erkennen an, dass es einige Dinge gibt, die der Staat besser macht als der Privatsektor, legt Krugman weiter dar.

Wie alle fortgeschrittenen Nationen stützt sich auch Amerika hautpsächlich auf private Märkte, um seine Bürger mit Dingen, die gebraucht werden, zu versorgern. Und kaum jemand würde heute vorschlagen, dies zu ändern.

Doch wir wissen auch, dass einige Dinge vom Staat durchgeführt werden müssen. Alle Lehrbücher der Volkswirtschaft sprechen vor diesem Hintergrund von „öffentlichen Gütern“ wie z.B. der Landesverteidigung. Sind aber öffentliche Güter der einzige Bereich, wo der Staat den Privatsektor übertrifft? Auf keinen Fall, unterstreicht Krugman.


Empty Box, Graph: Prof. Paul Krugman in NYTimes

Ein klassisches Beispiel, wo der Staat besser ist, ist die Krankenversicherung. Und noch ein weiteres Beispiel ist die Sicherung der Renten.

In einer idealen Welt würden 15-jährige Arbeitnehmer ihre Entscheidungen darüber, wie viel sie für die Zeit sparen, wenn sie 70 sind, auf eine realistische Einschätzung beruhen lassen. Und sie wären auch pfiffig genug, zu wissen, wie sie ihre Ersparnisse investieren.

In der realen Welt sparen aber viele der meisten arbeitenden Amerikaner viel zu wenig für ihren Ruhestand. Sie legen auch die Einsparungen schlecht an, beschreibt der am als Mitglied des der CUNY angegliederten Luxembourg Income Study Centers forschende Ökonom.

Und in der realen Welt ist die Social Security ein leuchtendes Beispiel für ein System, das funktioniert. Es versorgt ältere Amerikaner, die in ihrem ganzen Leben für einen anständigen Ruhestand schwer gearbeitet haben. Das einzige Problem ist laut Krugman, dass der Rückgang der Altersvorsorge und deren Ersetzung durch unzureichende 401 (k) Typ-Pläne eine Lücke hinterlassen haben, die die Social Security nicht füllen kann. Warum soll die soziale Sicherheit alsoe nicht erweitert werden?

Die wahre Ernsthaftigkeit bedeutet aber, dass wir darauf achten, was funktionert und was nicht. Privatisierte Rentensysteme funktionieren sehr schlecht. Social Security funktioniert sehr gut. Und wir sollten auf diesem Erfolg aufbauen, so Krugman als Fazit.

Unnötig zu sagen, dass Vorschläge in dieser Richtung bereits nahezu hysterische Reaktionen provoziert haben, nicht nur von rechts, sondern auch von selbsternannten Zentristen. Der Ruf für Social Security-Kürzungen gilt in Beltway als Abzeichen der Seriosität, ein Weg, zu zeigen, wir staatsmännisch und störrisch man ist.

PS: Beltway ist ein politischer Begriff in den USA, um den Umfangswinkel um die Hauptstadt Washington zu beschreiben. Gemeint ist eine politische Elite, die über das Schicksal des Landes befindet; Politiker, Bürokraten, Lobbysiten, Journalisten usw.


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